Ebersberg:Da, um zu helfen

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Ein Foto zur Sicherheit: Der Wiener Kabarettist Alfred Dorfer ist immer in Bewegung. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Wiener Kabarettist Alfred Dorfer überzeugt im Alten Kino Ebersberg mit bösem Witz und Schauspielkunst

Von Christian Endt, Ebersberg

Was tun, wenn die Leute lachen? Viele Kabarettisten und Unterhaltungsarbeiter wirken seltsam verlegen, wenn ein Gag gut ankommt. Andere geben sich allergrößte Mühe, keine Miene zu verziehen. Dabei freut sich jeder Mensch über Erfolg. Bei Alfred Dorfer sieht man das auch: Ein breites, freches Grinsen breitet sich in seinem Gesicht aus, wenn er merkt, dass ein Witz funktioniert hat.

Wobei Dorfer natürlich Profi genug ist, um vorher halbwegs zu wissen, wie das Publikum reagiert. Seit mehr als 30 Jahren steht der Wiener Kabarettist inzwischen auf der Bühne. Der 54-Jährige trat schon mit Österreichs Kabarett-Superstar Josef Hader auf und erhielt 2009 den Bayerischen Kabarettpreis. Bei seinem Auftritt im Alten Kino kokettiert Dorfer offensiv mit seiner Herkunft. Er streut österreichische Redewendungen wie "bist du deppert" ein und macht sich lustig über die Blödheit der Bayern, den Kärntnern die marode Hypo Alpe Adria-Bank abgekauft zu haben. Scheinbar versöhnlich sagt Dorfer: "Mir ist klar, das es hier nicht diese moralischen Standards gibt wie in Österreich. Ich bin da, um zu helfen."

Das wichtigste Werkzeug des Kabarettisten ist die Sprache, Dorfer präsentiert sein Programm allerdings mit Ganzkörpereinsatz. Er ist immer in Bewegung. Mal steht er nach vorne gebeugt, mit den Fingern aufs Publikum zeigend, im nächsten Moment lehnt er sich weit zurück und breitet die Arme aus wie ein Priester. Das Dorfer ursprünglich eine Schauspielausbildung gemacht hat, sieht man spätestens, wenn er sich mitten auf der Bühne lässig an einen imaginären Tresen lehnt.

Einen richtigen roten Faden, ein übergreifendes Thema hat Dorfers Programm nicht. Am ehesten ließe sich als wiederkehrendes Element die Verballhornung von Pädagogen, Psychologen und Soziologen nennen. Dorfer hat offenbar kein Verständnis für Menschen, die für alles Verständnis haben. Immer wieder parodiert er diese Haltung. Vom Rampenlicht der Bühne aus sagt er zu dem im unbeleuchteten Saal sitzenden Publikum: "Niemand spricht von den vielen, vielen Schicksalen, die hier im Dunklen bleiben. Da sitzt bestimmt jemand mit einer Beziehungskrise." Dem spricht Dorfer Mut zu: "Das vergeht." Und schaltet unvermittelt um ins Boshafte: "Oder mit einem Alkoholproblem - das vergeht nicht." Diese rasanten Wechsel im Vortrag sind Dorfers Stärke, er springt von verständnisvoll zu böse, von ganz leise zu brüllend laut, von schnell zu langsam. So provoziert er mit dem Satz: "Wir leisten uns den Luxus des Frauenwahlrechts", nimmt im nächsten Moment die Position des Publikums ein - "Sie fragen sich jetzt: Was ist das für ein Arschloch auf der Bühne?" - verteidigt sich: "ein Arschloch, aber liberal", und schlägt einen weiteren Haken: "Liberal ist nur ein Fremdwort für haltungs- und charakterlos."

Neben den erwartbaren Sprüchen zum Verhältnis von Deutschland und Österreich ("Angela hat zwar gesagt, es sollen alle kommen, aber Österreicher waren nicht gemeint") taucht ein weiteres Motiv in den knapp zwei Stunden mehrmals auf: Immer wieder arbeitet sich Dorfer an überstrapazierten Phrasen ab. Er macht etwa ein Foto vom Publikum und fügt ironisch hinzu: "Machen wir noch eins, zur Sicherheit." Er lästert über pseudowissenschaftliches Geschwätz, erkennbar an den Sätzen "Es gibt eine Studie" und "Das hat die Hirnforschung herausgefunden."

Dorfer lästert über Kollegen ("Wenn einmal der Name Angela Merkel fällt, gilt das bereits als politisches Kabarett") und über Journalisten, die fragen, wie man seine Kunstform nennt. Zum Schluss gibt er die Antwort: "Das ist ein Kabarett-Theater-Therapieabend."

© SZ vom 05.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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