Ebersberg:Brückenschlag in die Gegenwart

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Als Benefizveranstaltung des Ebersberger Lions Clubs zugunsten der Flüchtlingsarbeit im Landkreis wird im Alten Kino die szenische Lesung "Welcome to Paradise" von Karen Breece aufgeführt

Von Rita Baedeker, Ebersberg

Sie besteigen notdürftig zusammengezimmerte, seeuntüchtige Boote und fahren hinaus aufs Meer in eine ungewisse Zukunft. Sie machen sich auf über Land, marschieren viele hundert Kilometer, hungern, frieren im Nirgendwo, ignorieren Schmerz, ertragen Demütigung, Schläge, Schmutz, Enge. Sie fliehen aus Syrien, dem Irak, Afghanistan, aus Ländern Afrikas, in denen Terrorbanden wüten. Sie kennen Krieg, Gewalt, Armut und Verfolgung und hoffen auf Sicherheit und ein gutes Leben. Sie fliehen aus blanker Not. Und oftmals sind die Träume der Flüchtenden genährt von Illusionen und den falschen Verlockungen der Schlepper.

Wer die Menschen sind, die hier ankommen, und was sie erleben, davon handelt die szenische Lesung "Welcome to Paradise!", die im Sommer 2015 in der Münchner Matthäuskirche am Sendlinger-Tor-Platz in Kooperation mit dem Münchner Volkstheater uraufgeführt wurde. Unterstützt wurde das Projekt der Regisseurin Karen Breece vom Kulturreferat der Stadt München, vom Bezirk Oberbayern und dem Fonds Darstellende Künste e.V.

Der Lions-Club Ebersberg hat das Bühnenprojekt nun zu Gunsten der Flüchtlingsarbeit in den Landkreis Ebersberg geholt. Am Freitag, 31. März, wird das Stück im Alten Kino Ebersberg gespielt. Sprecher sind Sebastian Mirow und Karen Breece. Beide verkörpern jeweils drei Stimmen, drei Schicksale.

Auf überfüllten Booten fahren Menschen aufs Meer hinaus, in der Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa. Allzu oft folgt auf die anstrengende Flucht aber nur bittere Enttäuschung. (Foto: Massimo Sestini/oh)

Grundlage des Stücks waren Interviews, die die Regisseurin mit Geflüchteten, Asylbeamten und Bürgern geführt hat. Der Text dokumentiert eindrucksvoll, wie geflüchtete Menschen in Bayern leben, sei es in selbst gewählten oder ihnen zugewiesenen Quartieren und Räumen. In ihren Gesprächen fragte Karen Breece die Menschen nach ihren Hoffnungen und Enttäuschungen, ihren Wünschen und ihrer Realität, nach Hilfen und Hürden. Sie sprach aber auch mit denjenigen auf der anderen Seite, mit Amtsträgern, die an Schreibtischen sitzen, Asylgesetze ausführen und über das Bleiberecht entscheiden müssen. Auch sie, so erfuhr Breece, sind konfrontiert mit widersprüchlichen Erfahrungen, mit Enttäuschung und Ohnmacht. Seit 2015, der Zeit der Willkommenkultur, habe sich viel verändert, sagt Breece. "Nach wie vor stehe ich in Kontakt mit den Leuten, die ich befragt habe, es ist spannend, wie die sich in dieser Zeit hier entwickelt haben", sagt Breece. Entsprechend habe sie die Texte aktualisiert. "Die Eindrücke von 2015 sind geblieben, sie sind der Beginn, aber nun geht es um einen Brückenschlag in die Gegenwart, wo nicht mehr die Flucht im Mittelpunkt steht, sondern die Integration in den neuen Alltag."

Integration ist keine Einbahnstraße. Sie erfordert guten Willen, Mühe und Toleranz auf allen Seiten. "Ich hatte nie die Absicht, zu idealisieren, ich möchte besser verstehen, was da eigentlich geschieht, reinzoomen in die Lebenswelten aller Beteiligten", erklärt die Regisseurin. Die Authentizität und Tiefe der Texte könnten das Bewusstsein für die komplexen Probleme schärfen. "Es geht mir nicht um Schwarz-Weiß-Malerei, sondern um Aufklärung", sagt Breece.

Die deutsch-amerikanische Regisseurin Karen Breece hat die Texte des Stücks in Szene gesetzt. (Foto: Jœrgensen)

Die scheint geboten, denn der Widerstand vieler in Europa gegen die Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen ist gewachsen, auch hierzulande ist die anfängliche "Willkommenskultur" vielerorts Misstrauen und Angst gewichen. Viele würden ganz wegschauen, sagt Breece, während Massen von Flüchtlingen nach der Schließung der Balkanroute sich selbst überlassen seien. Oder wenn Abschiebungen stattfänden in Länder, die dem Prädikat "sicheres Herkunftsland" nicht gerecht werden.

Karen Breece hat eine Schauspielausbildung, sie schreibt und führt Regie und hat etliche herausragende Inszenierungen auf die Bühne gebracht, zum Beispiel die "Dachauer Prozesse". Johan Simons hatte Breece 2011 für ein Projekt an die Münchner Kammerspiele geholt. Ihre aktuelle Arbeit heißt "Don't forget to die". Im Anschluss an die Lesung ist Gelegenheit zum Gespräch.

Die Benefizveranstaltung des Lions-Clubs Ebersberg am Freitag, 31. März, im Alten Kino beginnt um 20 Uhr. Eintrittskarten zum Preis von 15 Euro gibt es im Vorverkauf bei den Buchhandlungen Otter in Ebersberg und Braeuer in Grafing sowie an der Abendkasse, Vorbestellungen unter Tel. (089) 922 55 92 05. Der Reinerlös des Abends soll den Helferkreisen im Landkreis zugute kommen.

© SZ vom 29.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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