Ebersberg:"Benutzen statt besitzen"

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Wie sich das kapitalistische System umgestalten lässt

Interview von Anselm Schindler

SZ: Herr Lietsch, was stört Sie denn an der derzeitigen Art zu wirtschaften am meisten?

Fritz Lietsch: Der Kapitalismus ist keine Wirtschaft mehr sondern ein Krieg mit anderen Waffen. Das ist eine Pervertierung. Grundsätzlich steckt in Wirtschaft das Wort "Wir". Es heißt ja nicht "Ichschaft". Das muss heißen, dass man zum Wohl aller miteinander kooperiert.

Und wie sieht die Alternative aus?

Wir müssen uns mit Konzepten wie Solidarwirtschaft und Fairtrade beschäftigen. Auch mit dem Phänomen der Genossenschaften. Christian Felber, der Begründer der Gemeinwohlökonomie, sagt zum Beispiel, dass die Wirtschaft für den Menschen da sein soll.

Schön und gut, aber ist das innerhalb des kapitalistischen Systems überhaupt möglich?

Ja, wenn wir anders bilanzieren, dann schon. Da gibt es das Konzept der "True-Cost-Bewegung". Die sagt, dass bei den Produkten die wir kaufen nicht der wahre Preis abgebildet wird. Im Preis ist zum Beispiel nicht enthalten, wie viel Wasser bei der Herstellung verschmutzt wurde oder wie viel CO₂ ausgestoßen wurde. Solange die ökologischen Kosten nicht mit in den Preis einfließen, ist das Produkt desjenigen am billigsten, der die Natur am effektivsten ausbeutet.

Und die Unternehmensvorstände werden solche Ideen freiwillig umsetzen?

Solange wir in den BWL-Studiengängen lernen, dass wir mit minimalem Input maximalen Ertrag erzielen müssen, wird das nicht passieren. Wir brauchen eine neue BWL, eine neue Generation von Managern. Genau diese Generation unterstütze ich.

Sie hadern auch damit, dass es in unserer Gesellschaft viel um Besitztümer geht. Wie kann man das denn in der Praxis ändern?

Da gibt es viele Beispiele: Damals als Studenten haben Freunde und ich schon eingeführt, dass wir Motorräder, Autos, Boote ausgetauscht haben. Wir hatten einen gemeinsamen Pool von Dingen und haben alles getauscht. Ich bin der Meinung, dass die Sachen nicht dazu da sind, besessen, sondern genutzt zu werden. Wir müssen die Gesellschaft neu denken. Der Kopf ist rund, damit Veränderung entstehen kann.

Und diese Veränderung fängt auch vor der eigenen Haustür an . . .

Künftig bin ich bereit, auch im Landkreis mitzugestalten. Kontakte habe ich schon, vom Landrat über den Klimaschutzmanager bis hin zum Grafinger Stadtrat. Und natürlich stehe ich auch für die Unternehmer in der Region bereit, wenn sie in Sachen Nachhaltigkeit beraten werden wollen.

© SZ vom 07.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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