Lautes Gelächter und etwas eigenartige Geräusche sind bereits auf den Treppenstufen zum vierten Stock der Volkshochschule zu hören. Es klingt so ähnlich wie "Scccchhhhhabonaschhhhuuu" - Konsonanten und Vokale, die in beliebigen Konstellationen aneinander gereiht sind und von vielen Stimmen durcheinander gesprochen werden. Dazu mischen sich das Gestampfe von Füßen und kräftiges Händeklatschen. Der Theaterworkshop mit Bina Schröer ist in vollem Gange. Denn bevor es an Texte oder gar Improvisationen geht, gibt es etwas Wichtigeres: den eigenen Körper wahr zu nehmen.
Beim VHS-Kurs "Lust auf Bühne, Spiel und Improvisation" wird man nicht gleich ins kalte Wasser geworfen und zum Vorsprechen gezwungen. Jeder kann mitmachen, der Interesse und Spaß am Theater hat - egal ob man bereits Erfahrung hat, schon ewig nicht mehr vor Publikum gestanden ist oder noch nie Bühnenluft geschnuppert hat.
So sind es unterschiedliche Menschen, welche die Kurse der Schauspielerin buchen. Der Jüngste ist gerade einmal 15 Jahre alt. Er ist gekommen, weil es an seiner Schule keine Theatergruppe gibt. Und auch ein Herr mit ergrautem Haar möchte sich als Laie wieder auf die Bühne wagen. Eine junge Mutter gesteht, dass sie als kleines Kind eine richtige Rampensau gewesen sei. Als sie vom Theaterkurs erfuhr, habe es sie gleich hingezogen. "Ich möchte das unbedingt wieder ausprobieren".
Schauspielern heißt aber auch, beobachten können. Daher müssen die Kursteilnehmer erst einmal ein paar Aufwärmübungen, die von Schröer vorgegeben werden, absolvieren. Dabei werden sowohl Körper als auch Stimme ordentlich auf Vordermann gebracht. Bei den Übungen wird die Zunge weit heraus gestreckt, die Gliedmaßen werden durchgeschüttelt. Bina Schröer macht den Teilnehmern nicht nur Mut, sich in der Gruppe etwas zu trauen, sondern verweist auch auf den Umgang mit dem eigenen Körper. Obwohl sich viele Menschen ins Fitnessstudio schleppten, um mit den immer gleichen Bewegungen Muskeln aufzubauen, werde der Körper wenig gebraucht. "Dabei hat er doch so viel drauf", erklärt Schröer. Daher brauche der Körper "Auslauf", wobei vor allem auf eine richtige Atmung zu achten sei. Das gehe zwar eigentlich von alleine, doch weil man aus ästhetischen Gründen oft den Bauch einziehe, setzten vor allem Frauen auf eine flache Brustatmung, anstatt voll in den Bauch zu atmen.
Mit bereits 30-jähriger Schauspielerfahrung weiß Bina Schröer genau, wovon sie redet. Die Bayerin ist gelernte Schauspielerin, hat ihre Ausbildung in München absolviert und macht alles, was mit Theater zu tun hat: Sie führt Regie, bedient die Kamera und übt sich in Tanz und Gesang. Um ihre Erfahrung und ihre Faszination weiter zu geben, unterrichtet sie an der Internationalen Schule für Schauspiel und Acting München (ISSA). Als Coach hat sie sowohl mit Kindern als auch mit Erwachsenen zu tun. Oft hieße es, dass Schauspieler coachen, weil sie es zu nichts gebracht hätten, so Schröer. "Aber das wäre erstens traurig und zweitens macht das Unterrichten sehr viel Spaß", so die Schauspielern fröhlich. Mit ihrer guten Laune schafft es die Kursleiterin, alle von Anfang an zu begeistern. Die ersten Passagen der einstudierten Gedichte klappen daher nahezu auf Anhieb perfekt, und Schröer zeigt sich von ihrer Gruppe begeistert. Daher kann sie auch früher als geplant mit kurzen Szenen beginnen, wo es gilt, in Rollen zu schlüpfen. Kreativität ist gefragt, als Schröer eines der ersten Themen vorgibt: Ein reicher Onkel ist gestorben und nun wird das Erbe verteilt. Einer der Kursteilnehmer, so die szenische Vorlage, hat den Onkel wirklich geliebt, einer will nur sein Geld und wieder ein anderer hat ihn sogar umgebracht. "Es gibt so viele verschiedene Möglichkeiten, die Rollen umzusetzen", ist Schröer überzeugt. Mit Tipps und Tricks hilft sie jedem Akteur in seiner Rolle weiter.
Vor allem ein am Schauspiel interessierter Teilnehmer aus Amerika zeigt sich von Schröers Methoden begeistert. "Ihre Kritik klingt nicht wie Kritik. Sie ist eine wirklich tolle Kursleiterin". Bina Schröer vermittelt das Geheimnis von Ausstrahlung und Präsenz; und so unterrichtet sie nicht nur Schauspielerei, sondern gibt ihren Schülern nebenbei auch viel Wissen über den eigenen Körper und dessen Sprache mit auf den Weg.