Ebersberg:Alles summt

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Christoph Scheuerecker erklärt seine Arbeit als Künstler und Imker. (Foto: Hinz-Rosin)

Christoph Scheuerecker installiert goldene Bienenkästen

Von Rita Baedeker, Ebersberg

Luxus pur, zentrale Lage, unverbaubare Aussicht: Nach einer derartigen Immobilie suchen viele Zweibeiner vergeblich. Da werden doch wohl Insekten nicht lange fackeln, wenn ihnen solch eine fürstliche Bleibe angeboten wird. Ob aber in die goldfarben lackierten Kästen in der Fensternische des Studios an der Rampe in Ebersberg jemals Bienen einziehen werden, ist dennoch ungewiss. "Die werden wohl nicht kommen", sagt Christoph Scheuerecker mit skeptischer Miene.

Von diesem Samstag an zeigt der Münchner Künstler und Stadtimker in Ebersberg ein Jahr lang sein Skulpturenprojekt "35⁰C". Dazu wurden in den vergangenen Wochen von Auszubildenden des Berufsbildungswerks Kirchseeon auf den drei terrassenartigen Brachflächen zwischen Landratsamt und Alten Speicher Blumen, Stauden und Kräuter angepflanzt sowie ein paar Totholzblöcke hingewuchtet - überdachte Rustici für Wespen, Hummeln und andere Insekten. Karin Dohrmann, erste Vorsitzende des Kunstvereins, der das Projekt betreut, ist sich sicher. "Seit da was gepflanzt wurde, summt es überall."

Nun geht es dem Künstler, der im Rosengarten am Schyrenbad in München Bienen hält, jedoch nicht darum, in Ebersberg ein Volk anzusiedeln. Seine beiden Etagenhäuser sind leer. Mit seiner Installation will er vielmehr einen wüsten Lebensraum zum Leben erwecken und Passanten zum Verweilen und Nachdenken animieren. Gäbe es keine Bienen mehr, würde ein Drittel unserer Nahrungsmittel verschwinden. Pflanzen, Samen und auch Vögel würden dezimiert. Von sieben Bienenvölkern habe er in letzter Zeit durch die Varroa-Milbe drei verloren, berichtet Scheuerecker.

Welch wichtige Rolle die Biene für den Menschen spielt, zeigt auch die Kultur- und Kunstgeschichte. Die Hieroglyphe für das Wort König war eine Biene, berichtet die Ägyptologin Karin Dohrmann. In vielen Kulturen verkörpert das Insekt Weisheit, Fleiß, Ordnung. Gian Lorenzo Bernini hat ihr in Rom ein Denkmal gesetzt, die "Fontana delle api". Und Joseph Beuys schuf eine Installation, die erstmals auf der Documenta 1977 in Kassel präsentiert wurde. Es handelte sich dabei um eine Anordnung, die 150 Kilogramm Honig durch ein Schlauchsystem pumpte.

Auch Scheuerecker kommt aus der Bildhauerei. "Zuerst hatte ich Blütenformen betrachtet und gezeichnet und alles, was bei uns wächst, über einen Jahreszyklus hin beobachtet. Man kann daher behaupten, ich stamme von der Pflanzenkunde her", heißt es auf seiner Internetseite "apicultura". Im Laufe der Zeit hat er sich mit allen Aspekten der Bienenkunde beschäftigt, von der Anatomie bis zum "mathematischen Universum" der Bienen, die nie ein Ziel geradeaus anflögen, sondern in Schleifen. In dem ebenso spannenden wie undefinierbaren Raum zwischen Kunst und Natur bewegt sich auch seine Installation. Von Zeit zu Zeit werde er nach Ebersberg kommen und schauen, ob der goldene Bienenstock bevölkert ist.

Am Samstag, 9. Mai, 11 Uhr, wird das Skulpturenprojekt "35⁰C" von Christoph Scheuerecker am Studio an der Rampe eröffnet. Anschließend findet in der Alten Brennerei eine Weinverkostung statt.

© SZ vom 08.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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