Uwaga:Achtung, Anarchie

Lesezeit: 2 min

Das Quartett "Uwaga" präsentiert beim Jazzfestival Ebersberg einen Streifzug durch klassische Musik.

Von Peter Kees, Ebersberg

1850 schrieb Richard Wagner seinen legendären Aufsatz "Das Judenthum in der Musik". Wagners Antisemitismus, der hier zum Vorschein kommt, ist immer wieder heftig diskutiert worden. Um so erfrischender, wenn Wagners Walkürenritt in einen jüdischen Schlager mündet, "Die Grine Kuzine". "So hat sich das Wagner eigentlich immer gewünscht", sagt Maurice Maurer, einer der beiden Geiger der Band Uwaga, die am 18. Oktober beim Ebersberger Jazzfestival aufspielt, mit einem Augenzwinkern. Während Maurice Maurer, Violine, Christoph König, Violine und Bratsche, Miroslav Nisic, Akkordeon, und Matthias Hacker am Kontrabass den Walkürenritt musizieren, spielen sie zugleich jenes jüdische Lied. Dahinter steckt Ironie und Witz, aber auch eine politische Note.

Zum Amüsieren haben die Vier, die bei der Langen Nacht der Musik 2014 in München zu hören waren, noch mehr in ihrem Programm "Jazz meets Classic: Frei nach Mozart, Mahler & Co". Mahlers berühmtes Adagietto aus seiner fünften Symphonie beispielsweise transformieren die Musiker zu einer Jazzballade. "Jazzer haben viel von Mahler geklaut, und zu den Harmonien in diesem Adagietto hat einfach eine Improvisation gefehlt," kommentiert Maurer die eigenhändige Bearbeitung.

Maurice Maurer hat klassische Geige an der Folkwangschule in Essen studiert, beim gleichen Lehrer wie Christoph König, mit dem er gemeinsam die Keimzelle der Band bildet. Beide hatten schon früh ihr klassisches Fach erweitert, sich nach Anderem umgeschaut und wollten sich musikalisch einfach nicht festlegen lassen. Maurer zum Beispiel fühlt sich in der ungarischen Musik und der Zigeunermusik sehr zu Hause. König hat nach seinem klassischen Violinstudium noch Jazz studiert. Die beiden Violinisten musizierten gerne mit Akkordeon und so traten sie zunächst gemeinsam mit einem Akkordeonisten als Trio auf. Doch die Bässe waren zu schwach. Man veranstaltete ein Bassisten-Casting, bald war man ein Quartett und gründete 2007 die Band "Uwaga". Uwaga ist polnisch und heißt so viel wie "Achtung".

Achtung: Das ist auch das Motto der Band. Denn das, was es zu hören gibt, ist eine gekonnte Mixtur aus klassischem Repertoire und Jazz - und anderen Musikrichtungen. Große Komponisten stehen auf ihrem Programm: Wagner, Mahler, Mozart, Sibelius, Elgar, Tschaikowsky oder Beethoven. Ihr Anliegen ist, das Vorhandene auf die Spitze zu treiben. Mozarts fünftes Violinkonzert, auch das türkische genannt, machen sie noch türkischer, so erzählt Maurer. Tschaikowskys Schwanensee lassen sie in einer Disco enden. Viele klassische Highlights werden parodiert, auch ein paar unbekanntere Stücke sind dabei. Die Wurzel ihrer Stücke ist immer die klassische Musik, aus der heraus Jazz entsteht, aber auch ungarische Klänge oder Zigeunersound. Die Bearbeitung der Stücke schreiben die beiden Geiger selbst. Sie schreiben Noten, spielen aber alles auswendig, weil sie sich damit auf der Bühne wesentlich freier fühlen. Natürlich improvisieren sie auch, und zwar ziemlich gekonnt. Durch den serbischen Akkordeonisten kommt authentischer Balkanklang hinzu.

Auf einen Stil festzulegen ist die Band nicht. Die vier Musiker sind auf Klassikfestivals, Weltmusikfestivals und Jazzfestivals zu Hause - so ganz passen sie in keines dieser Genres und doch in jedes ein bisschen. Wenn Edvard Griegs Holberg-Suite mit Fiddelmusik und Irish Folk in einer irischen Kneipe landet, dann hat das schlicht damit zu tun, dass Grieg schottische Vorfahren hatte. Spannend ist dieser Ansatz nicht nur für Jazzer oder eingefleischte Klassik-Fans. Den Zuhörer erwarten Grenzüberschreitungen, Anarchie in der Hochkultur. Die vier Musiker sprengen Grenzen und sind dabei höchst virtuos und so herrlich brachial.

Die deutsch-serbische Formation Uwaga hat ihren Auftritt im Rahmen des Jazzfestivals Ebersberg am Sonntag, 18. Oktober, um 19 Uhr im Rathaussaal Grafing. Die Karten kosten im Vorverkauf acht bis 16 Euro, an der Abendkasse neun bis 17 Euro.

© SZ vom 31.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: