Der Ferienreporter:Das Ende der bunten Raben

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In einem Papiertheater zeigt Susanne Gnann-Pohle die Protagonisten aus der Geschichte, die sie vorliest. Manche Kinder diskutieren eifrig mit ihr über die Handlung, andere hören nur tiefenentspannt zu. (Foto: Christian Endt)

Das Papiertheater im Märchenzelt der Gemeindebücherei Markt Schwaben erfreut Buben und Mädchen. Ganz nebenbei lernen sie, wie wichtig Toleranz ist

Von Julian Carlos Betz, Markt Schwaben

Versteckt am Ende eines schmalen Ganges mit Bücherregalen an den Seiten findet sich ein dunkelblauer Baldachin, das sogenannte "Märchenzelt" der Gemeindebücherei Markt Schwaben. Im Inneren hängt eine Lichterkette, bunte Sitzkissen liegen verstreut auf dem Boden und oben über dem Eingang prangt ein großer Stern.

Die im ersten Stock des alten Schlosses untergebrachte Einrichtung veranstaltet einmal im Monat eine kostenlose Lesung für Kinder. An jedem ersten Dienstag finden sich so bis zu 30 Jungen und Mädchen ab vier Jahren zusammen in der Bücherei ein, wo Susanne Gnann-Pohle ihnen aus einem Bilderbuch vorliest und dazu die jeweiligen Illustrationen zeigt. Neu ist, dass zusätzlich ein portabler Bilderkasten aus Holz zum Einsatz kommt, eine Leihgabe der zur Zeit geschlossenen Bücherei in Poing.

Dabei werden die Bilder aus dem Buch nacheinander und großformatig im Holzkasten ausgestellt, sodass die Kinder auch zwischendurch auf einzelne Figuren zeigen und dazu etwas sagen können. Diese Technik ist aus dem japanischen Kulturkreis entlehnt und nennt sich "Kamishibai", was soviel bedeutet wie "Papiertheater".

An diesem Nachmittag steht das Bilderbuch "Als die Raben noch bunt waren" von Edith Schreiber-Wicke und Carola Holland auf dem Programm. Schon früh bemerkt man,dass es vorrangig um die Frage nach Vielfalt und Toleranz geht und darum, dass Uniformität in Gesichtslosigkeit endet. Die vormals bunten und zufriedenen Raben fangen eines Tages an, nach jeweils "Gleichgefärbten" zu suchen und zerstreuen sich dabei. Doch mit der friedvollen Gemeinsamkeit als Raben ist es vorüber, als plötzlich jede Rabengruppe, sei es türkis oder rosa, grün-gelb oder orange, die eigene Farbe für die einzig wahre erklärt.

Die Raben gehen schließlich aufeinander los und Streit mündet in Kampf, bei dem auch Parolen wie "Nieder mit Flieder" skandiert werden. Während der Lesung sind die Kinder aktiv, erheben Einwände und zeigen sich interessiert. Sie stehen immer wieder auf und fragen nach einzelnen Gegenständen oder Figuren auf dem Bild, machen Anmerkungen und erzählen auch ab und zu von sich. Schon zu Beginn wird von einem Jungen der berechtigte Einwand erhoben, dass es ja gar keine bunten Raben gäbe. Manch einer liegt jedoch einfach nur auf dem Rücken und betrachtet tiefenentspannt die Bilder im Kasten. Gnann-Pohle stellt den Kindern hin und wieder Fragen zum gerade sichtbaren Bild im Kasten. Zwar können die Kinder ihren Hinweis, dass es sich mit den Raben ja wie mit den politischen Parteien verhalte, nicht ganz nachvollziehen, aber es wirkt doch so, als wüssten sie genau, um was es geht.

Als die Raben zuletzt von einem großen schwarzen Regen überrascht werden, der sämtliche Streitigkeiten beendet, weil plötzlich alle ihre Farben verloren haben, bleibt einem der Jungen nur noch die irritierte und hoffnungsvolle Ergänzung: "Bis wieder ein bunter Regen kam." Doch in der Geschichte bleiben die Raben schwarz, und es ist klar, dass sie sich das so nicht vorgestellt hatten. Zum Schluss dürfen sich die Kinder noch jeweils zwei Federn aus einem Beutel aussuchen und mit nach Hause nehmen, als kleine Erinnerung.

Gnann-Pohle ist seit 2015 Leiterin der Bücherei und engagiert sich auch für Erwachsenenveranstaltungen in den Räumen der Bibliothek. Hierbei arbeitet sie mit der Volkshochschule und dem Kreisbildungswerk Ebersberg zusammen. Es gibt Vorträge und Workshops unter anderem zum Thema Umwelt, Ernährung und Kultur. Im Herbst wird es wie im Jahr zuvor wieder eine "Bücherwoche" geben.

Wer sich für die Bücherei interessiert, kann sich kostenlos einen Ausweis ausstellen lassen und Bücher entgeltfrei leihen. Es gibt ein großes Angebot an Kinder- und Jugendliteratur, Fantasybüchern und Romanen. Auch ein kleiner Flohmarkt mit diversen Schnäppchen wartet auf den Besucher. In Planung ist zudem ein professionelles Opac-System zum komfortablen Management der Ausleihe über das Internet. Da es in der Bücherei keine Spendentradition gibt, freut sich die Einrichtung über freiwillige Zuwendungen in Form von Büchern, Kinder-CDs oder DVDs (ab Erscheinungsjahr 2015).

© SZ vom 04.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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