Baiern:Mit Pauke und Trompeten auf dem Traktor

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Die Bairer Musi fährt durch die Gemeinde, um die Bewohner mit dem traditionellen Neujahrsanblasen zu erfreuen. Als Gegenleistung gibt es eine Brotzeit, Schnaps oder eine kleine Geldspende

Von Max Nahrhaft, Baiern

Idyllisch schmiegen sich die Dörfer der Gemeinde Baiern in die Landschaft ein, durch die sich eine schmale Straße schlängelt. Der Blick auf das Alpenpanorama wird nur durch einige Bäume verstellt. Die morgendliche Stille wird aber jäh durchbrochen: Ein Traktor biegt auf die Straße ein und fährt die leichte Steigung nach Weiterskirchen hinauf. Ungewöhnlich ist nicht das Fahrzeug an sich, sondern dessen Ladung. 15 Leute sitzen hinten auf einem hölzernen Anhänger und lassen die Füße seitlich über der Straße baumeln. Dicke Wolldecken schützen sie vor dem eisigen Wind, der ihnen allerdings wenig auszumachen scheint. Angeregt und heiter unterhalten sie sich und gestikulieren mit den Armen. Zwischen ihnen liegen Musikinstrumente: Trompeten, Klarinetten, Tuben, Waldhörner und eine große Trommel.

Die Gruppe ist gerade unterwegs zur nächsten Station im Neujahranblasen. "Das gehört fest zur Tradition bei uns in Baiern", sagte Rudi Wiltsch. Er ist Vorsitzender der Bairer Musi, die sich jedes Jahr um diese besondere Form des Neujahrsempfangs kümmert. Die Musiker - und auch Musikerinnen - gehen von Haus zu Haus und spielen vor jeder Tür ein Volkslied, um den Bewohnern ein schönes Neujahr zu wünschen. Gelebtes Brauchtum. So empfinden nicht nur die Musikanten, auch die Besuchten freuen sich auf den Tag vor Silvester.

36 Häuser gilt es zu besuchen

"Die Bairer Musi ist keine Überraschung mehr für uns, ihren Besuch hatten wir schon eingeplant", so Andreas Maier. Die Musikanten sitzen gerade bei ihm in der Küche und freuen sich über die Einladung: Brotzeit, Tee und auch ein Stamperl Schnaps für jeden, bevor sie weiterziehen zur nächsten Haustür. "Wir empfangen die Leute mit schöner Musik und bekommen dafür eine Stärkung oder eine kleine Spende für unseren Verein. Das beruht auf Gegenseitigkeit", so Wiltsch. Seit dem Morgen sind sie unterwegs und werden bis in die Abendstunden brauchen, um den 36 Häusern, die auf dem Plan stehen, einen Besuch abzustatten.

Überall werden andere Lieder gespielt: der Tiroler Holzhacker, Unter dem Doppelauer oder der Mussinan-Marsch. Es geht weiter zur nächsten Familie. Das Bauernhaus steht am äußeren Rand des Gehöfts. Die Wiesen im Hintergrund sind noch bedeckt von Raureif. In vollen, harmonischen Klängen schallt die Musik des König-Ludwig-Marsches durch die Landschaft. Die Musiker stehen, eingepackt in dicke Jacken und warme Mützen, im Halbkreis um die Haustür.

Doch bevor diese sich öffnet, reagieren die Tiere auf die Blasmusik. Braune Pferde trotten in ihrer Koppel schnaubend herbei und lauschen den Klängen. Auch die Kühe an anliegenden Stall recken ihre Köpfe zu den Fenstern, um die ungewohnte Szenerie beobachten zu können. Erst dann tritt die Familie vors Haus und begrüßt die Musikanten - mit Schnaps natürlich. "Ich spiele hier nun seit 51 Jahren mit und bin damit der Dienstälteste von denen, die heute noch aktiv sind", sagte Sepp Grabmair. Seitdem er anfing, hat sich die Gruppe ziemlich verändert. Damals waren es nur 13 Freunde, die sich zum Musizieren getroffen haben. Heute umfasst die Bairer Musi 65 Mitglieder, die zum Neujahranblasen aufgeteilt auf drei Gruppen durch die Gemeinde fahren.

Auch die Kinder staunen über die Darbietungen der Besucher. (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Der Empfang ist überall herzlich

Auch an Nachwuchs mangelt es nicht. Mehrere Jugendgruppen gibt es, und jedes Jahr kommen neue Jungmusiker zur Kapelle hinzu. Die jüngsten Mitglieder sind heute noch nicht einmal 16 Jahre alt. Die meisten folgen damit dem Vorbild ihrer Eltern, so wie Georg Weigl, der seit 1997 zu den Musikanten gehört. "Damals habe ich über meinen Vater hier angefangen und bin seitdem mit großer Leidenschaft dabei", sagte Weigl. Das Musizieren schweißt zusammen, so Grabmair, zwar kennt man sich sowieso aus der Nachbarschaft, aber die Bairer Musi ist etwas Besonderes.

Jeder aus der Gemeinde Baiern kennt die Tradition, jeder schätzt sie. "Bisher haben uns noch alle herzlich empfangen, wenn wir vor der Tür stehen. Es kommt nur selten vor, dass wir morgens mit der Musik jemanden aufwecken", sagt der Vorsitzende Rudi Wiltsch. Nur wenn jemand nach noch nicht lange in Baiern wohnt - was selten vorkommt - und den Brauch nicht kennt, komme es manchmal zu kleinen Irritationen. "Aber für das nächste Mal wissen sie dann Bescheid", fügt Wiltsch hinzu.

Durstig muss an diesem kalten Wintertag niemand bleiben, so viel steht fest. (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Für die meisten ist aber das Neujahranblasen der Bairer Musi mehr als bloßes musikalisches Dorfbrauchtum. Gerade in Baiern, wo die einzelnen Höfe weit auseinander liegen, bietet das Neujahranblasen auch die Möglichkeit, sich mit Gemeindebürgern auszutauschen, denen man ansonsten eher selten begegnet. "Die Musi begleitet uns auf allen Dorffesten im Sommer durchs Jahr", sagt Andreas Maier, "da ist es nur logisch, das neue Jahr so einzuläuten."

© SZ vom 31.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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