Ebersberger Kreisrätin in Griechenland:Helfen, bis die Polizei kommt

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Begegnung am Strand: Mit Wasser und Lebensmitteln versorgt Johanna Weigl-Mühlfeld gerade angekommene Flüchtlinge. (Foto: privat)

Statt mit ihrem Mietwagen Lesbos zu erkunden, hat Kreisrätin Johanna Weigl-Mühlfeld Flüchtlingen den beschwerlichen Weg über die Berge erspart - bis sie Probleme mit der griechischen Polizei bekam.

Interview: Barbara Mooser, Baiern

Das Elend von Flüchtlingen hat Johanna Weigl-Mühlfeld, Kreisrätin der ÖDP, aus nächster Nähe erlebt - und zwar in ihrem Urlaub auf der griechischen Insel Lesbos. Aus faulen Tagen mit einem Buch am Strand wurde nichts in den zehn Tagen, statt dessen half die 54-jährige Programmiererin gerade gelandeten Flüchtlingen, wo es ihr möglich war - bis die Polizei kam.

SZ: Als Sie nach Lesbos gefahren sind, wollten Sie wahrscheinlich ganz normal Urlaub machen, oder?

Johanna Weigl-Mühlfeld: Na ja, ich habe mich schon bewusst für Griechenland entschieden, weil ich mir ein Bild von der Situation vor Ort machen wollte. Ich wollte einfach einmal sehen, wie es den Griechen geht, wobei mir völlig klar ist, dass das in touristischen Regionen noch einmal ganz anders ist als beispielsweise in Athen. Aber ich habe mit vielen Leuten geredet, wollte dabei auch herausfinden, ob es beispielsweise Ressentiments gegen Deutsche gibt. Das ist aber gar nicht so, die Leute pauschalisieren nicht, sie können gut unterscheiden, was beispielsweise von der Bundesregierung kommt und was von den Institutionen.

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Wie kam es, dass Ihr Urlaub dennoch eine ganz andere Wendung genommen hat?

Seit Mitte Mai spielt sich auch auf den griechischen Inseln ein Flüchtlingsdrama ab, von dem ich in dieser Form vorher auch nicht wusste. Aber es ist nicht schwer, darauf aufmerksam zu werden, da geht man morgens zum Bäcker und sieht schon die Flüchtlinge zu Hunderten vorbeigehen. Die meisten von ihnen sind Syrer, die vor dem IS flüchten. Das geht offenbar so, seit die türkisch-griechische Grenze auf dem Festland zugemacht wurde, jetzt versuchen alle, über die Inseln weiterzukommen. Das sind nur etwa zehn Kilometer mit dem Boot, die Leute kommen patschnass an, weil die Boote so voll sind.

Und dann?

Dann müssen sie in die Hauptstadt Mytilini und sich bei der dortigen Hafenpolizei registrieren lassen. Den meisten bleibt überhaupt nichts anderes übrig, als zu Fuß über die Berge zu gehen, das sind bestimmt 60, 70 Kilometer. Auch alte Leute, Kinder und Schwangere müssen das auf sich nehmen, da dauert das dann schon drei Tage.

Was haben Sie gemacht?

Ich war gleich am ersten Tag mit meinem Leihwagen unterwegs und habe spontan eine Familie mit Kindern dort hingebracht. Das ging dann die nächsten drei Tage so, ich habe Familien und ältere Leute mitgenommen, einmal auch eine hochschwangere Frau, die schon vier Tage über dem Termin war. Da habe ich dann schon gesagt, jetzt müssen wir uns aber beeilen. Das ging so lange, bis mich die Polizei erwischt hat. Ich wurde streng verwarnt, denn was ich gemacht habe, ist in Griechenland strafbar. Wer die Menschen mitnimmt, solange sie noch nicht registriert sind, gilt als Schleuser. Auch wurde mir angedroht, dass das Mietauto konfisziert würde.

Dort bleibt Strandgut zurück, das traurig macht. (Foto: privat)

Das war's dann?

Ich habe dann eben versucht, anders zu helfen: die Bäckerei leergekauft und die Flüchtlinge mit Wasser, Obst und Lebensmitteln direkt bei der Ankunft an der Küste versorgt. Aber wer das dort erlebt hat, dem ist absolut klar, dass hier dringend Hilfe von der EU nötig ist, die Griechen sind längst an der Grenze dessen, was sie leisten können.

Erfahren die Flüchtlinge denn sonst viel Hilfsbereitschaft?

Etliche Griechen, aber auch andere Europäer, die dort schon sehr lang leben, sind sehr engagiert und helfen den Leuten. Elias Bierdel, der Ex-Chef der Hilfsorganisation Cap Anamur, hat auch angeboten, Camps direkt an der Küste aufzubauen, aber das erlaubt die Regierung bisher nicht. So müssen die Flüchtlinge das Camp in der Hauptstadt erreichen. Selbst dort schlafen sie ohne Decken und ohne ärztliche Versorgung in Zelten auf dem Boden. Auf der Insel selbst schlafen die Leute sogar am Straßenrand, vielen geht es schlecht. Einmal habe ich bei einer Familie angehalten, ein Kind war schwer krank. Ich habe vorbeifahrende Griechen gebeten, eine Ambulanz zu alarmieren, doch die kam und kam nicht. Schließlich bin ich zum ehemaligen Bürgermeister des Ortes gefahren und habe ihm gesagt, er muss etwas tun. Auf seine Intervention hin hat sich nach zweieinhalb Stunden doch eine Ambulanz um das Kind gekümmert und es mitgenommen. Auf der Rückfahrt zum Flughafen habe ich die Mutter, Amani Jasem, mit ihren Kindern im Camp in der Hauptstadt unter 1500 Flüchtlingen gesucht und tatsächlich wohlauf gefunden. Man kann auch als Tourist einiges tun, um zu helfen, auch wenn es nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist.

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Zu den Dingen, die man sonst im Urlaub tut, sind Sie aber eher nicht gekommen?

Ach, ich hatte ein paar Bücher dabei, die habe ich dann eben nicht gelesen. Das kann ich immer noch tun. Aber ich habe sehr viel gelernt in diesem Urlaub und hautnah erlebt, wie es einem Flüchtling in Europa ergeht. Was mich am meisten berührt hat, war die Dankbarkeit, die diese Menschen gezeigt haben, weniger mit Worten, mehr mit ihren Augen.

© SZ vom 20.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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