Ausverkauft wäre eine Untertreibung:Hintergründiger Grantler

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Hans Söllner wird bei seinem Auftritt im winzigen Café Marktblick von Manfred Puchner an der Gitarre unterstützt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Hans Söllner begeistert im Glonner Café Marktblick mit Derbheiten, Gesellschaftskritik und viel Musik

Von Wieland Bögel, Glonn

Nach gut einer Dreiviertelstunde fällt dem Künstler ein, er hat einen Fehler gemacht, und zwar einen teuren: Er hat zu früh mit dem Singen angefangen. Das sei nämlich, so klärt Hans Söllner seine Zuhörer auf, steuerrechtlich relevant: "Spiel ich erst nach 40 Minuten ein Lied, dann ist es kein Konzert, sondern musikalisches Kabarett", und ein solches kostet den Künstler weniger Mehrwertsteuer. Noch besser wäre sogar ein Abend, wo nur geredet wird, "das ist dann ein Seminar, da zahle ich gar keine Mehrwertsteuer". Ein Glück für das Publikum im bis auf den letzten Stehplatz besetzten Café Marktblick, dass Söllner kein Sparfuchs ist, es wäre schade um einen tollen Abend gewesen.

Der gleich mit einer Warnung an die Zuhörer begann: Er habe die behördliche Auflage, darüber zu informieren, dass er heute unter Drogen stehe, wenn er also im Laufe des Abends noch ein Blutbad anrichte, solle sich hinterher keiner beschweren, so Söllner. Grund zur Beschwerde hatten die Anwesenden allerdings auch ohne Blutbad keinen. Söllner - an der Gitarre unterstützt von Manfred Puchner, wegen einer mysteriösen Armverletzung, die eigentlich nur Bodybuilder befällt - präsentierte ein dichtes und abwechslungsreiches Programm zwischen ernsthafter Zeitkritik, persönlichen Erlebnissen - und gelegentlich blankem Blödsinn.

Etwa, dass er sich schon darauf freue, wenn er 170 sei, dann suche er sich eine 90-jährige Freundin, damit alle sagen, er sei schon immer "auf die jungen Dirndl gestanden". Oder teilweise nicht ganz jugendfreie Witze über den Umgang mit Gesetzeshütern. Auch ein launiges Referat darüber, wie man durch ausgesuchte Höflichkeit im Schriftverkehr Behörden und Ämter am besten ärgern und verwirren kann gab es zu hören. Aus all diesen Erfahrungen werde er bald schon ein Gesellschaftsspiel "Mit Söllner unterwegs" entwickeln, das wie das richtige Leben nur aus Ereigniskarten bestehe. Auch seinen ganz allgemeinen Grant auf die Welt und die Gesamtsituation bringt Söllner mit der ihm eigenen Derbheit unter die Leute: Manchmal könne er "die Hosen gar ned so oft obilassn, wie mich alle am Arsch lecken können".

Dass er "manchmal blöde Scherze" mache, bekannte der Künstler freimütig, "aber die macht der Seehofer auch - und seine sind gefährlicher". Dabei habe er sich schon so gefreut, "dass der Seehofer jetzt weg ist - dabei heißt er künftig einfach nur Söder, und was reimt sich darauf? G'scheider sicher nicht." Für besonders gescheit hält Söllner auch die plakative Heimatliebe einiger bayerischer Politiker nicht: "Wenn man sein Land liebt, geht man damit nicht so um, wie es passiert." Was aber auch in der Verantwortung aller liege: "Was da draußen passiert, passiert, weil wir es zulassen". Und manchmal fällt der verbale Watschenbaum um, etwa bei der Ankündigung zu einem Lied, "dass ich vor 40 Jahren geschrieben habe, falls es mal sowas wie die AfD gibt". Es handelt von "Jammerlappen, die immer einen brauchen, der schuld ist, weil sie selber zu blöd sind".

Es ist Söllners Spezialität, solche politischen G'schertheiten nicht geballt auf sein Publikum loszulassen, sondern wohldosiert über den ganzen Abend zu verteilen, wodurch sie eine ganz andere, intensivere Wirkung haben. Oft kommt die Ernsthaftigkeit geradezu angeschlichen, versteckt sich zunächst hinter einem Kalauer oder einer Zote: So kann Söllner im einen Moment noch, sehr zur Freude des Publikums, über "Büchsen, Bixn und alte Schachteln" herumalbern - um im nächsten Moment ein eindringliches Lied gegen die Genitalverstümmelung von Mädchen zu singen und um Spenden für Aufklärungsprojekte zu werben. Oder er kündigt an, ausnahmsweise vom Blatt abzulesen, "weil, das Lied ist auf Hochdeutsch und Hochdeutsch kann ich nicht auswendig". Diese Deutlichkeit sei aber nötig für das was kommt - es folgt mit "Genug" eine harte Abrechnung mit religiösen Fanatikern: "Euer Gott ist Eure Schaufel; Eure Dummheit Euer Grab."

Dazwischen findet Söllner auch leisere Töne, etwa wenn er über die Liebe singt, oder - ganz persönlich - über seine Familie, seine "Buam", seine Tochter und Enkeltochter. Natürlich wäre Söllner nicht Söllner, wenn er dabei auf Kritik und Spott verzichten würde. Etwa die Versicherung, dass er denen, die "mich damals scho ned kriagt ham", sicher nicht seine Buben überlassen werde. Und ganz sicher werde er seinen Kindern nie Filme zeigen "wie Walking geht".

Dem Publikum, viele davon ganz offenbar langjährige Söllner-Fans, gefiel die Darbietung sichtlich, oder eher hörbar - an einigen Stellen gab es etliche Mitsinger. Und auch, wenn der Abend steuerrechtlich gesehen kein Seminar war, dürfte der eine oder andere ein wenig klüger geworden sein.

© SZ vom 21.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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