Ausstellung:Wintermärchen und Sommerrosen

Lesezeit: 3 min

In der Rathausgalerie Ebersberg zeigt die Architektin und Aquarellmalerin Barbara Otter eine an Landschafts-, Stadt- und Tiermotiven reiche Auswahl ihrer Arbeiten

Von Rita Baedeker, Ebersberg

Zur Routine einer Vernissage gehört die Laudatio. Meist führt bei dieser Gelegenheit ein ausgewiesener Kunstkenner mit launigen Worten sowie einem Vortrag über Malerei an und für sich in das ausgestellte Werk ein.

Bei der am Sonntag im Rathaus Ebersberg eröffneten Ausstellung von Aquarellen der Ebersberger Architektin Barbara Otter, ihrer ersten in der dortigen Galerie, war alles ein wenig anders. Der akademische Maler Werner Maier, einer der Kunst-Dozenten von Barbara Otter, verzichtete auf kunsthistorisches Fachwissen und Redemanuskript und vermittelte dem zahlreich erschienenen Publikum - einige Besucher kamen von weither -, anhand eines Aquarells, das ihm besonders gut gefällt, mit gefühlvollen Worten, welche Qualitäten es sind, die Otters Arbeiten auszeichnen. Als Beispiel wählte er das Aquarell "Winter bei Beuerberg". Wer meint, Aquarellmalerei sei die Disziplin der Laien und Anfänger, werde hier eines Besseren belehrt. "Ölbilder kann man übermalen", sagte Maier, "beim Aquarell muss jeder Strich sitzen".

Für die winterliche Landschaft mit schemenhaftem Zwiebelturm im Hintergrund hat Barbara Otter für ihre Komposition kaum Farben verwendet und dennoch eine atmosphärisch packende Stimmung erzeugt. Auf das Schneefeld im Vordergrund fällt Licht, angedeutet von hellen Tupfern. Aus der Nähe scheinen die Räume zu verschwimmen, aus der Distanz verdichtet sich das Wintermärchen zu einem ausdrucksstarken Bildganzen, gewinnt an Raumtiefe und Kontur, man glaubt, den Eishauch zu spüren, der in der Luft liegt.

Barbara Otter und einige ihrer atmosphärisch eindrucksvollen Wintermotive. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Barbara Otter hat ihre Kindheit und Jugend in Ebersberg verbracht. Studiert hat sie in München, in Arizona in den USA und in Regensburg. Im Zuge des Architekturstudiums hat sie auch das Freihandzeichnen gelernt und ihren Blick für Proportion und Perspektive geschult. Auch die Technik des Lasierens wurde ihr dort vermittelt. Jedes der gezeigten Aquarelle dokumentiert Otters Souveränität im Umgang mit Raum, Komposition und Farbe, gleich ob Akt oder Landschaftsimpression, Blumen- oder Vogelmotiv. In Ebersberg zeigt sie 39 ihrer Bilder, darunter ein Selbstporträt, Münchner Motive und etliche reizvolle Ebersberger Ansichten wie das Haselbacher Kircherl, der Langweiher, die Stadtpfarrkirche St. Sebastian und die Heilige Familie des Schmederer-Kripperls.

Parallel zu ihrer beruflichen Tätigkeit unter anderem im Münchner Baureferat hat Otter eine profunde künstlerische Ausbildung bei renommierten Lehrern absolviert - Akt, Porträt, Aquarell, Plastisches Gestalten, Städte, Stillleben. "Bei Werner Maier habe ich Anatomie gelernt, vor allem das Akt und Porträtzeichnen", sagt Otter. Auch an ihren Aktkurs bei Engelbert Rieger, Dozent an der Kunstakademie Bad Reichenhall, erinnert sie sich noch lebhaft. "Das Modell hielt die jeweilige Stellung immer nur zwanzig Minuten lang, dann war zehn Minuten Pause. In dieser Zeit musste man alles erfassen, Proportionen, Licht, Schatten, Farben." Die drei im Rathaus gezeigten, überaus gelungenen Akte - stehend, sitzend und gehend - sind ein kleiner Teil der im 20-Minuten-Takt entstandenen Blätter.

Bei Rebhuhn, Schnepfe und Wasseramsel dienten der Malerin Tierpräparate als Vorlagen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Barbara Otter gehörte mehreren Malgruppen an, darunter den "Taubenschlagmalern" um Wolfgang Hauber in Holzkirchen - weil der einen Taubenschlag im Garten hatte - und den Malfreunden von Ernesto Holthaus in Grünwald. Ausgestellt hat sie zusammen mit anderen in der Mohr-Villa Freimann, im Jagerhaus Gmund. Ihre erste Einzelausstellung war 2010, in der Trattoria Italiana in Ebersberg. Die jetzt im Rathaus gezeigten Arbeiten entstanden zwischen 2002 und 2016.

Obwohl die Malerin gegenständlich arbeitet, gibt es auch Tendenzen in Richtung Befreiung und Auflösung der Form. Während sie bei Motiven wie Rebhuhn, Schnepfe, Wasseramsel und Eichhörnchen anatomische Details mit zeichnerischer Sorgfalt behandelt - die Modelle waren allesamt Präparate, wie Otter erzählt -, dominiert beispielsweise bei dem Aquarell eines ungarischen Bauerndorfs die Stimmung einer menschenleeren staubigen Dorfstraße in Gelb und Braun, die ins Nichts zu führen scheint, gesäumt von einfachen Bauernhäusern, die durch einige wenige bauliche Elemente angedeutet werden.

Das Aquarell, so formulierte es Maier, sei ein seismografisches Medium. Ein guter Vergleich, denn die Erfahrungen und Empfindungen beim Malen im direkten Kontakt mit der Natur finden Eingang ins Bild, so wie bei den Motiven vom Pitztal. Sie entstanden auf etwa 2500 Metern Höhe, berichtet Otter. "Beim Gletscherbild musste ich sogar mit Handschuhen arbeiten, weil bereits Schnee lag."

Die Ausstellung der Aquarelle von Barbara Otter in der Rathausgalerie Ebersberg dauert bis Sonntag, 6. November, geöffnet Montag bis Donnerstag 8 bis 17 Uhr, Freitag 8 bis 12 Uhr und nach Vereinbarung unter Email a.berberich@ebersberg.de und barbara.otter@t-online.de. Finissage ist von 14 bis 16 Uhr. Ihre Lieblingsmotive sind als Grußkarten in der Buchhandlung von Sebastian Otter, dem Bruder der Malerin, erhältlich.

© SZ vom 21.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: