Ausstellung:Kreative Zeitgenossen

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Das Franz-Xaver-Stahl-Museum in Erding zeigt Werke Martin Ritters. Unter dem Titel "Lebe, Wesen!" sind Tierdarstellungen des Vaterstetteners zu sehen

Von Anja Blum

Martin Ritter, einer der wichtigsten Künstler des Ebersberger Landkreises, wird nun in Erding zu sehen sein: Das Museum Franz Xaver Stahl zeigt Werke des 2001 verstorbenen Vaterstetteners. Der programmatisch-poetische Titel der Ausstellung lautet "Lebe, Wesen!", denn aus dem schier unerschöpflichen Oeuvre Martin Ritters ist hier eine lebendige und spannende Auswahl an Tierdarstellungen zu sehen. Eröffnet wird die Schau am kommenden Sonntag, 4. März, um 14 Uhr, zu sehen ist sie dann bis 13. Mai.

"Lassen Sie sich inspirieren von expressionistischer Ausdrucksstärke, leuchtenden Farben und grafischen Strukturen", schreibt der Verein Notturno, der sich um den künstlerischen Nachlass Ritters kümmert und für die Ausstellung mit verantwortlich zeichnet. Das Spektrum reicht laut Ankündigung von Bewegungsstudien bis hin zu mythologischen Luftgestalten, geheimnisvollen Lebewesen und fernöstlichen Motiven. "Die ganze Vielseitigkeit des Malers Martin Ritter spiegelt sich in seinen handkolorierten Lithografien, Tuschezeichnungen, Aquarellen, Grafiken und großformatigen Gemälden." Der künstlerische Nachlass Martin Ritters schlummert in Baldham, betreut vom Verein Notturno, der Ritters Biografie und Werk für die Öffentlichkeit aufarbeitet, in Ausstellungen zeigt und das ehemalige Atelierhaus immer wieder für Besucher öffnet.

Aussagekräftige Skizze: Das Titelbild zur Ausstellung "Lebe,Wesen!" im Franz-Xaver-Stahl-Museum in Erding. Repro: Notturno/oh (Foto: Repro: Notturno e.V.)

Martin Ritter (1905 bis 2001) ist ein Zeitgenosse des Erdinger Künstlers Franz Xaver Stahl (1901 bis 1977), doch ob sie sich gekannt haben, ist bisher nicht belegt. Zwei Mal kreuzten sich die Lebenswege der Maler aber ganz sicher: Bei den Großen Deutschen Kunstausstellungen in München, der propagandistischen Leistungsschau im NS-Staat, waren beide 1938 und 1940 mit ihren Werken vertreten. Ritter hatte 1938 zwei Blumenbilder eingereicht, als Käufer der Aquarelle ist der NS-Propagandaminister Joseph Goebbels in den Akten festgehalten. Die Bilder waren Schnäppchen, sie kosteten 200 Reichsmark. Stahl verdiente da schon besser: Für sein Ölgemälde "Herbst", das grasende Pferde unter einem Bäumchen zeigt, zahlte der NS-Reichserziehungsminister Bernhard Rust 5000 Reichsmark. Zwei Jahre später lief es noch besser für Stahl: Seine "Schmiede" in Öl ging für 9000 Reichsmark an den NS-Außenminister Joachim von Ribbentrop. Ritter, der wieder mit zwei Blumen-Aquarellen vertreten war, musste sich hingegen mit je 220 Reichsmark begnügen. Aber auch in anderen Punkten ähneln sich die Biografien der beiden Maler. Bei de zeigten schon in jungen Jahren Talent, fertigten kunstvolle Scherenschnitte, die sich damals großer Beliebtheit erfreuten. Ritter studierte als "Wunderkind" in Breslau und lernte bedeutende Männer kennen: Otto Mueller inspirierte ihn, Karl Hanusch machte ihn zum Meisterschüler. Später ging er nach Dresden an die Hochschule, Otto Dix, Otto Hettner und Richard Müller waren seine Bekannten. Bald konnte er Verkäufe tätigen und ausstellen, erhielt Auszeichnungen, Diplome und Ehrungen. Stahl studierte an der Akademie in München in der Tiermalklasse, ebenfalls bald als Meisterschüler. Als akademischer Kunstmaler ließ er sich in Dachau, München und Erding nieder. Martin Ritter wohnte bis 1945 im Villenviertel Blasewitz und pflegte Bekanntschaften mit Dichtern und Musikern. Stahl trat 1941 in die NSDAP ein, laut eigener Aussage "dem fortwährenden Drängen meines Münchner Atelier-Hausherren" folgend. Kurz darauf wurde er als Professor an die Akademie berufen. Als man Ritter eine Lehrtätigkeit an der Akademie anbot, schlug er diese aus - und brachte sich damit auch um die Möglichkeit, weiter öffentlich ausstellen zu dürfen. Im Krieg brannten Stahls Ateliers nach Bombenangriffen aus, viele seiner Bilder wurden vernichtet, er selbst musste Kriegsdienst leisten. Ritter verlor bei der Zerstörung Dresdens viele Freunde, sämtliche Werke sowie sein privater Besitz verbrannten. Nie vergaß er diese Schreckensbilder. Nach dem Krieg in die Pfalz geflohen, nahm Ritter wieder an Ausstellungen teil. Oft war er verbittert, stürzte sich aber in die Arbeit - und überforderte sich: Ein schwerer Zusammenbruch mit Klinikaufenthalt ließ ihn umdenken. 1963 zog er, inspiriert von guten Freunden, nach Baldham - und hinterließ dort später ein großes Oeuvre. Stahl kehrte 1945 aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft nach Erding zurück und arbeitete fortan als freischaffender Künstler. Er starb 1977, sein Nachlass ging in den Besitz der Stadt über und ist seit 2014 öffentlich zu besichtigen.

© SZ vom 01.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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