Ausstellung:Das Cello zähmt das Chaos

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Der Künstler Kon-T kombiniert Motive des Jazz mit Farben und Konturen, die stark an Pop Art erinnern. Seine Bilder sind seit Dienstag im Ebersberger Rathaus ausgestellt - am Samstag gibt es eine Vernissage

Von Viktoria Spinrad, Ebersberg

Hingebungsvoll recken vier Musiker ihre Kontrabässe in den farbgetönten Himmel. Zwei Sterne werfen ihr Licht wie Scheinwerfer auf das Ensemble, dessen Pop-Art-mäßig kolorierte Konturen in die verschwommene Nacht zu fließen scheinen. Ein Bild, das von zügelloser Leidenschaft und Disziplin zugleich erzählt, von Chaos und Ordnung. Eine Explosion aus Farben, Dimensionen, Emotionen, die den Raum beben lassen - so wie alle der Jazz-Bilder des senegalesischen Künstlers Kon-T, 28 Jahre alt, der nun zehn seiner Werke für drei Wochen in der Kleinen Galerie des Ebersberger Rathauses ausstellt - passend zum Jazz-Festival. Am kommenden Samstag, 21. Oktober, gibt es um 19 Uhr eine Vernissage, "dann geht es nach Rom weiter", erzählt der hochgewachsene Künstler auf Englisch. Was wie geschickt eingefädelt scheint, ist einem genialen Zufall zu verdanken: Die Ex-Frau seines Schwagers hatte Kon-T zu einem Besuch nach Neufahrn eingeladen. Durch einen Freund in Ebersberg, den er von der Kunstschule in seiner Heimatstadt Dakar kennt, traf der Senegalese Antje Berberich, Kuratorin und Archivarin im Ebersberger Rathaus. Von dem Jazz-Festival habe er nichts gewusst, sagt Kon-T, seine Bilder hatte er eingerollt und ungerahmt im Gepäck, "man weiß ja nie", sagt er schmunzelnd. Und Berberich war sofort begeistert: "Das war Schicksal, das hat einfach so sein sollen", sagt sie bei der Vorstellung der Bilder. Eines der Werke, "Steep on Steep", ist eine Komposition aus drei Bildern. Sie zeigen einen wuchtigen, markanten Handrücken, der im Begriff ist, sich von rechts nach links auf der Klaviatur vorzuarbeiten. Auch hier im Hintergrund: Verschmelzende Farbflächen, blaue, grüne, rote, eine Unordnung, die vom Musiker gezähmt wird. Warum gerade Jazz? "Zuhause läuft das seit meiner Kindheit" erzählt der Künstler. Selber musiziere er aber nicht. Dann malt er mit der Hand Wellen in die Luft. "Wenn ich das Zusammenspiel höre, Cello, Trompete, Saxofon, dann entstehen auf dem Schwarz meines inneren Auges Farbwellen." Diese Visualisierungen, die Emotionen, die der Jazz in seinem Kopf entstehen lässt, "die will ich mit Menschen teilen."

"Harmony" hat Kon-T sein poppiges Portrait des amerikanischen Jazzmusikers Louis Armstrong getauft. (Foto: Christian Endt)

So auch die Inspirationen aus den Tönen der Tierwelt, die der Künstler humorvoll in seinen Werken versteckt. In den Locken einer leidenschaftlichen Kontrabassspielerin findet sich ein kleiner heulender Wolf; auf ihrer Schulter eine frech dreinschauende Heuschrecke aus Kreide; vor einer fast dämonisch anmutenden Band flattert ein Kreide-Adler, und über dem Kopf einer Klavierspielerin windet sich die Zunge eines bunten Chamäleons. Ähnlich anarchisch wirken die vielen Kritzeleien, die sich über die Zeugnisse einer tiefen Liebe zum Jazz ziehen: "Soon is now", "Fly high", "Break it",; ein "Funny" springt aus dem Mund der Kontrabassspielerin hervor - spontane Assoziationen auf Englisch, aber auch auf Französisch und Arabisch, die diese Gemälde durchziehen. Kon-T malt imaginär auf seine Hand. "Wir haben verschiedene Sprachen, aber mit Jazz teilen wir das selbe Gefühl", erläutert der Künstler, der daheim auch als Architekt arbeitet.

Mamadou Konté heißt der Künstler Kon-T, 28, aus dem Senegal mit bürgerlichem Namen. Seine Bilder hat er aus Dakar mitgebracht. (Foto: Christian Endt)

Seine Kunst ist experimentell und kontemporär, die Kontraste erinnern an die Pop-Art-Ikone Andi Warhol und die Bildgewaltigkeit an die Jazz-Grafiken von Maxwell Dickson - und doch ist es eine ganz eigene Mischung aus figurativen Charakteren und abstrakter Symbolik - Kunst, die den Rhythmus des Jazz mit Pinseln auf die Leinwand transportiert. Kon-T bugsiert einen zum Werk vom Anfang: Sein Lieblingsbild, im Hintergrund das Chaos, im Vordergrund die orchestrierte Leidenschaft. "Wenn der Jazz ertönt", sagt er und deutet auf die Musiker, "dann spielt das Drumherum keine Rolle mehr. Dann bringt die Musik Ordnung in unser Leben."

© SZ vom 18.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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