Ausgrabungen am Bergfeldsee:Spuren der Vergangenheit

Bereits vor mehr als 3000 Jahren lebten Menschen auf dem Gebiet des heutigen Poing. Archäologische Untersuchungen fördern nun Interessantes aus der Bronzezeit zutage.

Von Anselm Schindler

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(Foto: Christian Endt)

Es ist eine kleine Sensation, welche Münchner Archäologen des Planateams München nahe dem Poinger Bergfeldsee in den vergangenen Wochen zutage befördert haben. Klein deshalb, weil auf dem Poinger Gemeindegebiet bereits zahlreiche Überreste aus der Bronzezeit oder der römischen Kaiserzeit gefunden wurden. Aus Poing stammt auch das älteste in Deutschland gefundene Rad. Dennoch sind die Ausgrabungen ein weiterer wertvoller Beleg für die Siedlungsgeschichte der Region. Die Sonne verschwindet langsam am Horizont, ein kühler Herbstwind weht kräftig über die flache Landschaft der Schotterebene. Zwischen Kieshügeln, auf einem Baugrundstück östlich vom Bergfeldsee stehen einige Männer, darunter Archäologe Ulrich Schlitzer (Mitte), Poings Bürgermeister Albert Hingerl (rechts) und Helmut Sloim, Sprecher der Bauträgergemeinschaft Arge. Vor einiger Zeit hat die Arge hier rund 50 Zentimeter Humus abtragen lassen, das Grundstück diene als Lagerplatz für die Bautätigkeiten am nahen Poinger Seewinkel, wie Thomas Schächtl von der Arge erklärt.

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(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

In seinen Händen hält Archäologe Ulrich Schlitzer einen großen Plan, der die Erfolge der Grabungen der vergangenen drei Wochen mit Kreuzchen an den Stellen anzeigt, an denen die Überreste von Holzpfosten gefunden wurden. Jeweils vier Pfosten, zwischen denen größere Abstände liegen, deuten eines der Wohnhäuser an, die teils rund 100 Quadratmeter groß waren. Dort lebten die Großfamilien damals zusammen, das Mehrgenerationenhaus ist keine Erfindung unserer Zeit. Um die großen quadratförmigen Wohnhäuser herum lassen sich auf dem archäologischen Plan viele kleinere Gebäude erahnen, in ihnen wurden die Vorräte wie Getreide gelagert. Die Speicher waren erhöht über dem Erdboden errichtet, als Schutz vor Ungeziefer und kleinen Nagern, die den Menschen damals die Nahrungsmittelvorräte streitig machten. Die Lagerstätten waren luftig gebaut, um Selbstentzündungen vorzubeugen, die bei der Aufbewahrung von Getreide vorkommen. Gebrannt hat es trotzdem hin und wieder, was heutzutage den Archäologen zugute kommt. Denn der Hüttenlehm, der damals auch der Isolierung diente, wurde durch die Hitze des Feuers hart, so dass Teile davon bis heute erhalten sind.

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(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

17 Hausgrundrisse hat das Planateam auf dem Grabungsfeld nachgewiesen, sie bildeten bis zu drei zusammenhängende Hofareale. Archäologe Ulrich Schlitzer steht an einem der Grabungslöcher und erklärt die Grabungsarbeiten. Umhängetasche, Jeans und Brille: Dahinter ein analytischer, scharfer Blick, Schlitzer passt gut ins Bild des Archäologen. Unter seinen Schuhen bröckelt der Kies weg und rieselt in eines der Grabungslöcher, die mit kleinen Baggern umsichtig ausgehoben wurden. Dann springt er ins Loch, bis zur Hüfte verschwindet Schlitzer im kiesigen Erdboden. Anhand der Funde und der Profilfotos, die von den Erdschichten gemacht wurden, hat sich das Archäologenteam ein Bild davon gemacht, was sich auf dem heutigen Baugrund zwischen 1200 und 500 vor Christus abspielte. Resteverwertung könnte man das nennen, denn die Funde stammen vor allem aus dem Müll von damals, "negative Selektion" nennt das Schlitzer fachmännisch. Im Gegensatz zur "positiven Selektion", wie Grabbeigaben beispielsweise, die von den Menschen damals bewusst bei Bestattungen zugefügt wurden. Weil es sich dabei meistenteils um Wertgegenstände handelt, sind diese von großem archäologischen Nutzen. Beim Material, das das Archäologen-Team in den vergangenen Wochen an die Erdoberfläche beförderte, handelt es sich vor allem um die Überreste von Tierknochen, Gebrauchskeramik und Hüttenlehm.

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(Foto: Christian Endt)

Schon während die Bagger auf dem ehemaligen Ackergrund rollten und die obere Erdschicht abtrugen, tauchten erste Hinweise auf eine frühe Besiedlung auf. Weil auf den angrenzenden Grundstücken zuletzt im Jahr 2012 archäologisch interessante Artefakte aus grauer Vorzeit ausgegraben wurden, unterlagen die Arbeiten von vorne herein Auflagen durch die Ebersberger Denkmalschutzbehörde. "Da braucht man schon geduldige Bagger- und Lastwagenfahrer", erklärt Ulrich Schlitzer, schließlich musste alles, was an Humus abgetragen und weggefahren wurde, zuvor auf mögliche archäologische Befunde untersucht werden. 221 Befunde waren es am Ende, vergangenen Donnerstag schloss das Planateam seine Ausgrabungsarbeiten ab. Die Funde liegen in drei roten Kisten, stolz hält Schlitzer eine dieser Kisten in seinen Händen, "den Knochen darf ich so leider nicht ohne Handschuhe heraus tun", erklärt er. Schlitzer greift in die Kiste und holt ein vom Rost rötlich gefärbtes, stiftförmiges Stück Metall heraus. "Das ist eine Gürtelschließe", erklärt er, der Bronze-Gegenstand hielt einmal einen Ledergürtel zusammen.

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(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Zu erwarten ist, dass in den kommenden Monaten und Jahren rund um das aktuell abgeschlossene Grabungsfeld weitere Siedlungsspuren auftauchen werden. Denn nördlich und westlich des Baugrundstückes ist bereits zu erahnen, dass sich auch dort Spuren der Vergangenheit zeigen werden. Es sind weitere Puzzlestücke, die Ausgrabung für Ausgrabung ein Gesamtbild entstehen lassen, das erahnen lässt, was sich auf dem Poinger Gemeindegebiet in den vergangenen Jahrtausenden abgespielt hat. Je weiter man entlang der vielen Baggerlöcher über das Baugrundstück schlendert, desto mehr Mosaiksteine fügen sich zusammen und ergeben eine Vorstellung vom Alltagsleben lange vor Beginn unserer Zeitrechnung. Grund für die frühe und intensive Besiedelung des heutigen Poinger Gemeindegebietes ist vor allem der recht hohe Grundwasser-Pegel: Die auf den umliegenden Grundstücken gefundenen Brunnen-Anlagen waren teils nur drei Meter tief. Zu möglichen weiteren Untersuchungen werden die neuen Fundstücke nun erst einmal in der Archäologischen Staatssammlung in München eingelagert, wie Thomas Schächtl von der Arge Poing erklärt. "Dort sind sie ja auch gut aufgehoben", findet Poings Bürgermeister Albert Hingerl - "zumindest bis wir in Poing ein eigenes Museum haben".

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