Auf Abi-Fahrt gestrandet:Denkzettel der besonderen Art

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Stuttgarter Busfahrer lässt eine Schülergruppe an der Autobahnraststätte Vaterstetten stehen. Der Grund: Sie sollen zu spät zurück zum Bus gekommen sein

Von Bastian Hosan

Auf der Vaterstettener Autobahnraststätte hat ein Stuttgarter Busfahrer elf jugendliche Passagiere stehen gelassen und ist ohne sie weiter gefahren. Foto: Endt (Foto: EBE)

In diesem Bus muss die Hölle los gewesen sein, sonst hätte der Fahrer nicht zu solch drastischen Maßnahmen gegriffen. Nach einer Abschlussfahrt nach Italien war eine Schulklasse am Freitag Abend auf dem Rückweg nach Stuttgart. Wie erst am Dienstag bekannt wurde, ließ der Fahrer nach einer Pause elf Schüler an der Raststätte Vaterstätten-Ost auf dem Parkplatz stehen. Nach Angaben der zuständigen Autobahnpolizei Hohenbrunn waren einige von ihnen noch minderjährig, andere standen barfuß und mittelos da.

Schüler - das ist klar - sind nicht immer einfach. Und wenn sie auf Klassenfahrt sind, schon gar nicht. Sie sind laut, bisweilen vorlaut, gelangweilt von der langen Fahrt und oft in Feierlaune. Und - das ist auch klar - manche Fahrten dauern so lange, dass die Nerven bei Schülern und Busfahrer schon mal blank liegen. Wie die Polizei nun berichtete, wollte der Fahrer der Stuttgarter Reisegruppe den Schülern einen Denkzettel verpassen. Sie wären, nachdem sie sich an der Raststätte versorgt hatten, nicht zur vereinbarten Abfahrtszeit zum Bus zurück gekommen. Deshalb sei er einfach ohne die elf losgefahren. Erst nach einem längeren Telefonat mit der Polizei habe er sich bereit erklärt, umzukehren und die Schüler doch noch in Vaterstetten einzusammeln. Zwei Stunden aber mussten sie auf dem Rastplatz ausharren. So lange wurden sie vom Technischen Hilfswerk (THW) Haar versorgt, das die Autobahnpolizei bei der Kontrolle des Autobahnabschnitts unterstützt.

Die Schüler sollen bei einem Fastfoodrestaurant angestanden haben, als der Busfahrer sie stehen ließ, berichtet der Raststättenbetreiber. "An der Autobahn erleben wir viel, so etwas gab es hier aber noch nie", sagt er. Offenbar waren die Schüler auf einer Abiturfahrt in Italien und gerade auf dem Rückweg. Die Jugendlichen hätten ihm erzählt, dass der Fahrer selbst den Bus erst kurz vor Vaterstetten übernommen habe. "Er hat den Schülern wohl nur eine kurze Pause zugestanden und ist ohne noch eine Minute länger zu warten losgefahren", so der Raststättenbetreiber. Einige der Schüler, unter anderem auch die Klassensprecherin, seien daraufhin in die Raststätte gekommen, um mit der Polizei und dem Busfahrer zu telefonieren. "Wir hier an der Raststätte fragen uns, was da vorgefallen ist, denn der Fahrer schien völlig uneinsichtig zu sein und wollte partout nicht zurückkehren. Erst die Polizei konnte ihn dann dazu bewegen, die Kinder wieder aufzusammeln". Das habe aber ganz schön gedauert. Dem Raststättenbetreiber erzählten die Schüler außerdem, dass es im Bus vollkommen ruhig gewesen sei, da alle von der langen Fahrt übernächtigt waren. "Die waren aber danach verständlicher weise nicht mehr gut auf den Mann zu sprechen". Bis zum Eintreffen des THW habe man sich an der Raststätte um die Schüler gekümmert und dafür gesorgt, dass es allen gut geht. "Nachdem die Schüler aber in der Obhut der Polizei und des THW waren, haben wir uns rausgehalten".

Günter Seidel, Fahrdienstleiter des Busbetriebes Ettenhuber in Glonn, der häufig Schülergruppen transportier, hat für einen solchen Vorfall kein Verständnis übrig. Wenn das Unternehmen für solche Fahrten gebucht werde, herrsche der Grundsatz: "Der Fahrersitz ist eben der Fahrersitz." Als Busfahrer müsse man zwar schon mal Nerven wie Drahtseile haben, räumt Seidel ein. Dass einer seiner Fahrer aber zu solchen Mitteln greifen würde, ist für ihn undenkbar. Es gäbe ja andere Möglichkeiten, die Fahrgäste zu beruhigen, als sie an der Autobahn stehen zu lassen. "Bei einer Schulfahrt muss auch immer eine Aufsichtsperson dabei sein. Die hat dafür zu sorgen, dass die Schüler ruhig sind." Bei einem ordentlich geführten Betrieb darf so etwas einfach nicht passieren - denn: "Sobald es sich um eine Schulklasse handelt, sind die Fahrgäste Schutzbefohlene." In jedem Fall würde ein solcher Vorfall zu mächtig Ärger führen, so Seidel. "Bei uns ist dann ein Gespräch mit dem Chef zu erwarten - und dieser kann dafür sogar eine fristlose Kündigung aussprechen".

Die Stuttgarter Schüler konnten ihre Fahrt nach all dem Ärger fortsetzen.

© SZ vom 24.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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