Anzinger Weinbeisser:Zurück in der guten Stube

Lesezeit: 2 min

Im Anzinger Wirtshaus "Weinbeisser" drängen sich die Freunde der gepflegten Unterhaltung - endlich wieder, denn die Kleinkunstbühne hat neue Wirte. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Freunde der Kleinkunstbühne feiern die Wiedereröffnung

Von Rita Baedeker, Anzing

Umarmungen, Schulterklopfen, großes Hallo! Ein bisschen geht es bei der Wiedereröffnung des "Weinbeisser" in Anzing zu wie bei einem Klassentreffen. Viele der früheren Stammgäste haben einander lange nicht gesehen, und das alles hier vermisst: die immer noch anheimelnde Stube, die Kleinkunst, die zwanglose Stimmung, die Enge. Die neuen Wirte, Barmann Dirk Zeilmann und Koch Stefan Oelze, arbeiten im Akkord. Zeilmann steht hinter der Theke und betätigt sich als Sommelier, seine Frau Tiziana serviert kleine Gerichte wie Hummus, Schweinsbraten-Rillette oder Rahmfleckerl, die Oelze in seinem Münchner Restaurant "La Kaz" zubereitet hat. Einer Dame, die die Speisekarte nicht entziffern kann, leiht die sympathische Sizilianerin kurzerhand eine Lesebrille.

Die weiteste Anreise hatte ein Ex-Flugkapitän aus Anzing, der seit vielen Jahren in Thailand lebt. "Seit vier Wochen ruft er mich täglich an und fragt, wann denn nun der Weinbeisser wieder eröffnet werde", erzählt Conny Hoffmann, erster Wirt der Weinstube, der enge Verbindungen in die Musik- und Kabarettszene hat und auch künftig Künstler engagieren wird..

Nicht ganz so weit hatten es Anzings Bürgermeister Franz Finauer und Altbürgermeister sowie Ehrenbürger Richard Hollerith. "Der Weinbeisser war für mich immer gefährlich", berichtet Finauer und lacht herzhaft. Nach den Gemeinderatssitzungen waren wir meist noch hier auf ein Glas Löwengang", so der Name einer von den Kommunalpolitikern offenbar geschätzten Weinsorte. Auch er sei Stammgast gewesen, bis ein Uhr früh, gesteht Richard Hollerith. Die Sitzung nach den Sitzungen habe oftmals das Gehirn erst geöffnet. "Hier haben wir so manche Idee aufs Gleis gesetzt."

In seiner Begrüßungsrede erinnert Conny Hoffmann an den Tag vor 29 Jahren, als er den Weinbeisser im Böglhof eröffnete. Nach ihm führte einige Jahre der Musiker Rudi Zapf das Lokal. Heute wünsche er den beiden Neuen das, was man sich unter Theaterleuten wünsche: "Möge die Übung gelingen!" Besonders freue ihn, dass sich hier wieder ein Kreis geschlossen habe: Lisa, die Tochter von Reinhard Grill, der früher am Franz-Marc-Gymnasium war und im Weinbeisser häufig ausgestellt hat, habe Stefan Oelze geheiratet. "So kam der Kontakt zustande", erzählt Hoffmann.

Einer der frühesten Stammgäste ist der Liedermacher, Dichter und Kabarettist Werner Meier. Er greift auch an diesem Abend zur Gitarre und singt ein hinreißendes Liebeslied, allerdings nicht auf das Lokal, sondern auf ein Küchengerät, auf das sich viel Spaßiges reimen lässt. So ausgelassen ist die Stimmung, dass beim Brotbrösel-Song seinem Aufruf zum Schunkeln alle Gäste folgen. Schließlich unterstützt er als Greenhorn am Waschbrett noch die Skiffle-Band von Uwe Reck. Werner Meier ist es auch, der besonders berührende Worte zur Wiedereröffnung seines ehemaligen "Wohnzimmers" findet: "Das ist heute, wie wenn sich eine Wunde schließt."

© SZ vom 17.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: