Anzing:Ein Funken Hoffnung

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Die Anzingerin Ingeborg Nünke hilft Kindern aus dem verstrahlten Wolinzy

Von Sebastian Hartinger, Landkreis

"Es ist überhaupt nichts besser geworden, sondern alles viel, viel schlimmer". So fasst Ingeborg Nünke, Gründerin der Anzinger Initiative "Hilfe für Kinder aus Tschernobyl und Umgebung", die Lage in den betroffenen Gebieten, speziell in dem Dorf Wolinzy in Weißrussland, zusammen. Am Dienstag, 26. April, jährt sich der Reaktorunfall in Tschernobyl zum 30. Mal - im Landkreis Ebersberg gibt es wahrscheinlich nur wenige, die einen vergleichbaren Einblick in die heutige Situation der betroffenen Gebiete haben. Neben all dem Leid, dass vielen Menschen noch heute zu schaffen macht, kann sie aber auch von Lichtblicken berichten.

Nünke holt mit ihrer Organisation seit 1991 Kinder aus Wolinzy in den Landkreis, damit diese "ihr Immunsystem stärken können, wenn sie bei ihren Gasteltern sind", erklärt sie. In ihrem Heimatdorf sind die Kinder einer Strahlenbelastung ausgesetzt, die Nünke schon am eigenen Leib miterlebt hat. Mittlerweile sei sie zehn Mal in Wolinzy gewesen. "Die Radioaktivität zerrt die Kraft aus dem Körper", berichtet sie. Dementsprechend gehe dort nichts mehr voran. Es gebe dort kaum Chancen, unverseuchtes Essen zu bekommen, auch deshalb sei das Immunsystems vieler Dorfbewohner schwach. "Wenn ein Kind krank wird, muss sofort die ganze Schule wegen Epidemiegefahr geschlossen werden", sagt Nünke. Wolinzy gleiche einem "sterbenden Dorf".

Als die atomare Wolke nach dem Reaktorunglück auf Moskau zukam, erzählt sie, hätten die Russen die Regenwolken direkt über Wolinzy beschossen und zum Abregnen gebracht. Da der Regierung bei der Umsiedlung der Bevölkerung das Geld ausgegangen sei, so Nünke, hätte sie den Bewohnern am Ende der Sperrzone "Strahlengeld angeboten, damit sie unter anderem unverseuchte Tomaten anbauen können". Funktioniert habe dies nicht, bis heute gebe es in dieser Region nichts, was nicht verseucht sei.

Nur logisch sei, dass die meisten in diesem "abgekapselten Gebiet" keine Perspektive hätten. Aus diesem Grund habe der Anzinger Verein mit der "Ausbildungsunterstützung" begonnen und für jedes Kind einen Paten gesucht. Bei denen, für die sie keinen gefunden haben, übernahmen sie diese selbst. "Jedes Kind soll eine Ausbildung machen, und weggehen können", erklärt Nünke. Inzwischen hätten 50 Kinder aus dieser Gegend eine Ausbildung gemacht." Ein Großteil von ihnen habe Wolinzy deswegen verlassen. "Eine ist sogar Ärztin geworden", sagt Wolinzy.

"Dieses Jahr nimmt die Unterstützung sehr ab", berichtet sie. Letztes Jahr seien noch 57 Kinder gekommen, dieses Mal seien es nur noch 40. Es kämen zudem kaum neue Gasteltern hinzu. Auch von der Bundesregierung ist sie enttäuscht. "Es müsste sofort alles abgeschaltet werden", meint Nünke. "Jeden Tag werden so viele Schadstoffe freigesetzt, durch die Menschen krank werden".

Anlässlich des 30. Jahrestags erinnert der Bund Naturschutz mit dem Film "Friedlich in die Katastrophe - ein Plädoyer für das Überleben" von Holger Strohm an die Atomreaktorkatastrophe im ukrainischen Tschernobyl vor 30 Jahren. Dieser läuft am Dienstag, 26. April, um 19.30 Uhr im Alten Kino Ebersberg. Der Eintritt ist frei.

© SZ vom 23.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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