Anwohner klagen über Lärm:Hinhören

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Makler würden Engerloh als verkehrsgünstig gelegen bezeichnen. Die Bewohner sind genervt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Regierung von Oberbayern sagt Ortstermin an Grafinger Umfahrung zu

Von Thorsten Rienth, Grafing

Die Engerloher Beschwerden über die Lärmbelastung durch die Grafinger Ostumfahrung reißen nicht ab: "Es ist eine Rennstrecke", sagt Ingrid Stürzer. "Und es wird Woche für Woche schlimmer." Natürlich ist es mit subjektiven Eindrücken beim Lärm immer etwas schwierig. Doch mittlerweile ist die schnelle Achse von Rosenheim zur A 94 in den meisten Navigationsgeräten hinterlegt. Dass auf der Staatsstraße 2080 mehr los ist, als noch im Herbst, dürfte also nicht allein Empfinden der Anwohner sein. Jetzt will die Regierung von Oberbayern zum Ortstermin vorbeischauen.

Hierfür gebe es eine mündliche Zusage, berichten Landrat Robert Niedergesäß und Landtagsabgeordneter Thomas Huber (beide CSU). "Wir hoffen, dass dadurch besser sichtbar wird, wie nah die Straße eigentlich an den nächsten Häusern verläuft", erklärte Huber. Niedergesäß zufolge gehe es der Regierung darum, "an Ort und Stelle eine für die betroffenen Bürger wirkungsvolle und entlastende Lösung zu erarbeiten". Der Bezirk werde sich ernsthaft mit der Problematik befassen, versicherte der Landrat.

Im Sinne von Ingrid Stürzer, die zusammen mit Frank Thiele so etwas wie das Engerloher Lärmschutz-Sprachrohr ist, wäre das freilich. Knapp zweihundert Meter sind es vom St 2080-Asphalt bis zum Terrassentisch. Seit September sei es in dem Ortsteil mit der Ruhe vorbei, sagt sie. An Schlafen mit offenem Fenster nicht mehr zu denken. Solche Klagen sind nicht neu. Aber sie hören eben auch nicht auf.

Das Engerloher Problem ist, dass die errechneten Lärmbelastungen unter den Grenzwerten für zusätzliche Maßnahmen liegen. Selbst wenn er wollte, dürfte der Freistaat keinen weiteren Lärmschutz errichten. Der Grafinger Stadtrat dagegen dürfte - aber er will nicht. Würde die Stadt an der Ostumfahrung über die Mindestanforderung hinaus Lärmschutz verbauen, müsste sie auch an anderen Straßen aktiv werden - und das kann teuer werden.

Aus Perspektive der Engerloher ist Landrat Niedergesäß deshalb so etwas wie die letzte Hoffnung. Im Januar hatte er die Sache bei Oberbayerns Regierungspräsidentin Brigitta Brunner aufgegleist. Ob die Geschwindigkeit denn nicht wenigstens testweise einmal auf 70 Kilometer pro Stunde gesenkt werden könne? Dann ließen sich die tatsächlichen Lärmwerte bei verschiedenen Geschwindigkeiten messen - und zusätzlichen Lärmschutz oder dauerhafte Tempolimits auf der Grundlage realer Werte entscheiden.

Niedergesäß spielte damit auf eine Begebenheit an, die in Grafing Kopfschütteln hervorruft und in Engerloh regelrechte Wut: Im bundesdeutschen Straßenbau wird die Entscheidung für oder gegen Lärmschutz nicht am tatsächlich gemessenen Pegel festgemacht. Stattdessen gibt es ein Computer-Tool, das einen Durchschnittswert berechnet. "Ich kann jeden Bürger verstehen, der die Methodik der theoretischen Durchschnittsberechnungen als intransparent und unrealistisch qualifiziert, wenn er selber unter realem Lärm leidet."

Selbst den guten Regierungswillen vorausgesetzt, ist die Angelegenheit jedoch keine einfache. Wenngleich es nur um ein paar hundert Meter geht: Für eine Grafinger Geschwindigkeitsreduzierung ist ein verkehrsrechtlicher Spagat nötig: Die Regierung müsste einen Weg finden, im Grafinger Osten statt 100 nur noch 70 Kilometer pro Stunde zu erlauben - ohne jedoch eine "Lex Grafing" zu schaffen, auf die sich dann andere Gemeinden mit ähnlichen Wünschen berufen könnten.

Am Ende könnte ausgerechnet die umstrittene Anbindung der Sportstätten an die Ostumfahrung Abhilfe schaffen. Verkehrsplaner hielten den Anschluss zwar für überflüssig und zu teuer. Aber der Stadtrat beschloss den Bau der Anbindung auf eigene Kosten. An das Votum erinnert die auf Engerloher Höhe bereits gebaute Abbiegespur. Ist der Durchstich zum Eisstadion einmal gebaut, wäre auf dem Ostumfahrungsabschnitt ohnehin nur noch Tempo 70 erlaubt. Das kann aber dauern. Trotz Beschluss aus dem Jahr 2016 gibt es noch keine konkreten Planungen.

© SZ vom 07.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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