Amtsgericht Ebersberg:Wer ist der Würger?

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Das Gericht soll über eine angebliche Bar-Schlägerei entscheiden. Doch die Wahrheitsfindung gestaltet sich schwierig.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Schlichter oder Schläger, mit dieser Frage hat sich nun das Amtsgericht beschäftigt. Angeklagt waren zwei junge Männer, denen vorgeworfen wurde, im Frühjahr vorigen Jahres in einer Grafinger Bar zu fest hingelangt zu haben. Und zwar ganz wörtlich, die beiden sollen ihre Kontrahenten in den Schwitzkasten genommen und gewürgt haben. Außerdem sollen sie ihre Gegner auch noch beleidigt haben. Dafür wurden sie bereits per Strafbefehl zu Geldstrafen von 3600 beziehungsweise 2400 Euro verurteilt, wogegen sie allerdings Berufung einlegten.

Die Wahrheitsfindung gestaltete sich alles andere als einfach. Lediglich über die Ursache des Streits herrschte weitestgehend Übereinstimmung, offenbar hatte einer der Beteiligten, ein 37-jähriger Facharbeiter, seinen Rucksack verloren und einen anderen Gast beschuldigt, die Tasche versteckt zu haben. Dass der Mann ohne Rucksack dann eine Rangelei anzettelte kann als erwiesen gelten, denn er hat dafür ebenfalls einen Strafbefehl erhalten und diesen auch akzeptiert.

Von da an gingen die Schilderungen aber weit auseinander. Die beiden Angeklagten, ein 28-jähriger Automechaniker und ein 25-jähriger Landschaftsgärtner, erklärten, sie seien eher zufällig in die Auseinandersetzung hineingeraten. Eigentlich hätten sie gerade gehen und zuvor nur noch kurz die Toilette aufsuchen wollen. Als sie das stille Örtchen verließen, sahen sie, wie ihr Freund, der 37-Jährige, in eine Rangelei mit einem ihnen unbekannten Barbesucher verwickelt war. Sie hätten sich zunächst nicht einmischen wollen, als sich dann aber Freunde des Unbekannten einmischen wollten, hätten sie diese zurückgehalten. Beide beteuerten aber, dass sie dies nicht per Würgegriff sondern nur durch einfaches Festhalten oder in den Weg stellen getan hätten. Bestätigt wurde diese Version von dem 37-Jährigen, der als Zeuge aussagte. "Der Einzige, der tätlich geworden ist, das war ich." Seine Freunde hätten dagegen nur schlichten wollen.

Auch der Barkeeper stellte die Angeklagten als Schlichter dar, schilderte dennoch einen anderen Ablauf der Ereignisse. Er habe im oberen Stock der Bar aufgeräumt, als ihn zwei Besucherinnen informierten, dass im Billard-Keller gerauft werde. Daraufhin sei er zusammen mit den Angeklagten hinunter gegangen und mit vereinten Kräften habe man die Streitenden dann getrennt. Die Freunde des 37-Jährigen hätten diesen, der Barkeeper dessen Kontrahenten zurückgezogen, "dann habe ich sie alle rausgeschmissen." Zumindest daran konnte sich auch ein weiterer Zeuge erinnern, nicht jedoch, dass der Barkeeper zuvor aktiv in die Schlägerei eingegriffen hatte. Dies hätten nur die beiden Angeklagten getan, der Barkeeper sei erst dazugekommen, als die Rangelei schon vorbei war und habe dann alle heimgeschickt.

Dagegen konnte sich ein angeblich Geschädigter - der andere war zu Prozessbeginn verreist - sehr wohl an ein Eingreifen des Barkeepers erinnern. Der 28-Jährige schilderte, wie er mit einem Freund Billard gespielt hatte. Plötzlich sei der 37-Jährige aufgetaucht, habe herumgeschrieen, dass jemand seinen Rucksack versteckt hätte und seinen Freund plötzlich am Kragen gepackt. Als er eingreifen wollte, so der 28-Jährige, sei er "angegangen und von hinten gewürgt worden." Erst als der Barkeeper dazukam, hätte der Würger abgelassen. Auf Nachfrage des Gerichts, wer ihn gewürgt habe, identifizierte der Zeuge den 28-jährigen Angeklagten - und damit den falschen. Denn laut Anklage und auch laut Strafbefehl war der Zeuge von dem 25-Jährigen in den Schwitzkasten genommen worden, der 28-Jährige soll hingegen den zweiten Geschädigten gewürgt haben.

Die Verteidigung regte die Einstellung des Verfahrens an. Es sei "äußerst unsauber ermittelt worden", so der Anwalt des 28-Jährigen, "es ist gar nicht ermittelt, sondern nur irgend etwas zusammengeschrieben worden", sagte der Advokat des 25-Jährigen. Die Vorwürfe seien nachweislich falsch, so die Verteidiger. Die Angeklagten müssten auf jeden Fall freigesprochen werden - wenn überhaupt könne gegen sie wegen des angeblichen Vergehens des jeweils anderen ein neues Verfahren eröffnet werden. "Das alles ist schon sehr misslich", gab die Staatsanwältin zu, "aber jetzt kann man noch keine Entscheidung treffen." Nebenklage und Staatsanwaltschaft wollen dazu noch den zweiten Geschädigten und die ermittelnden Polizisten hören. Das Verfahren wird in der kommenden Woche fortgesetzt.

© SZ vom 23.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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