Spannende Projekte:GPS-Halsband statt Kuhglocken

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In Grub leben 346 Rinder, 924 Schweine und 334 Schafe. (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

In der Landesanstalt für Landwirtschaft in Grub wird seit hundert Jahren geforscht. Ziel ist es, Bauern durch neue Methoden und Geräte zu entlasten. Am Sonntag ist Tag der offenen Tür

Von Daniela Gorgs

Stefan Thurner schaut mit leicht nervösem Blick nach oben. Dicke graue Wolken türmen sich am Himmel über Grub. Ja, Regen wäre schon gut, sagt der studierte Landwirt. Der Sommer sei bislang viel zu trocken gewesen. Und doch: Jetzt sollte es besser nicht regnen. Der Technikexperte für Grünlandbewirtschaftung hat gerade sein neuestes Forschungsprojekt, einen Weideroboter, auf eine Wiese gefahren.

Das Gefährt, das aussieht wie ein kleiner Traktor, ist ein Prototyp, die elektronische Steuerung ist noch nicht verbaut. Stefan Thurner sucht nach einem Unternehmen, das hilft, diesen Prototypen zur Marktreife zu bringen. Die Kosten für das Gerät beziffert er auf zirka 95 000 Euro. Eine stolze Summe. In den vergangenen Jahren haben die Landwirte viel in die Automatisierung im Stall investiert. Melkroboter, Futtermischwagen, Spaltenschiebermaschine unterstützen die tägliche Arbeit - jetzt tüfteln Agrarwissenschaftler in Grub an maschinellen Lösungen für die Weide.

Digitalisierung ist ein großes Thema

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(Foto: Gleixner; Landesanstalt für Landwirtschaft)

Vor 100 Jahren wurde die Landesanstalt für Landwirtschaft in Grub gegründet.

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Moderne Techniken wie ein Ortungssystem für Rinder entwickeln Agrarwissenschaftler in Grub.

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das neueste Forschungsobjekt, einen Weideroboter, stellt Stefan Thurner vor.

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Eine gute Mensch-Tier-Beziehung ist von großer Bedeutung für ein erfolgreiches Herdenmanagement: Christian Mendel ist Zuchtleiter in Grub.

Landwirtschaft 4.0 - die Digitalisierung ist ein großes Thema an der Landesanstalt für Landwirtschaft in Grub. Das Forschungsinstitut in dem ländlichen Ortsteil der Wachstumsgemeinde Poing liegt beschaulich wie eine Frischluftschneise im Osten von München. Der Gutshof mit seinen zentralen Institutsgebäuden ist umrandet von grünen Wiesen und fruchtbaren Feldern. Auf knapp 400 Hektar Fläche ist Platz für 130 Milchkühe, 140 Mastbullen, 2000 Mastschweine, 200 Mutterschafe, mehrere Ställe und Bürogebäude. In den vergangenen hundert Jahren entwickelte sich das Institut zu einem weltweit bekannten und angesehenen Zentrum für Nutztierforschung: Wissenschaftler und Fachleute kommen nach Grub, um sich auszutauschen und fortzubilden.

Und um sich Thurners Weideroboter anzusehen. Dieser Traktor kann eine Weide komplett eigenständig beackern. Mit seinen wuchtigen Reifen fährt er über das Gras und stoppt, wenn der Laserscanner Weidereste oder Trittschäden identifiziert. Dann mulcht die Maschine, oder sät nach. Es ist ein schlaues Gerät. Der Roboter mäht, pflanzt und analysiert zudem die Biomasse, die Qualität der Weide. Bestimmt etwa den Eiweißgehalt der Pflanzen. Aus diesen Daten kann der Landwirt viel ableiten. Zum Beispiel, ob die Kuh später im Stall noch Kraftfutter bekommen sollte. Oder ob die Wasserstelle auf der Weide an einem idealen Ort steht. In Grub geht es immer darum, Wege zu finden, die den Landwirt bei seiner Arbeit stark entlasten.

Für ein zweites Projekt haben die Agrarwissenschaftler bereits einen Industriepartner gefunden. Das Institut für Landtechnik und Tierhaltung hat ein GPS-basiertes Ortungssystem für Kühe entwickelt. Statt Glocke trägt die Kuh ein Halsband mit einem Ortungsgerät. Stündlich sendet das Navigationssystem, das so klein ist wie eine Streichholzschachtel, Positionsdaten auf das Mobiltelefon des Landwirts. Interessant sei dies besonders für Almbauern, erläutert Thurner.

Auf Almen bei Ruhpolding und Brannenburg sowie in Tirol wurde das Ortungssystem getestet. In allen Fällen sparte sich der Hirte teils stundenlanges Suchen der Herde auf abgelegenen Wiesen. Zudem gewinnt der Landwirt über den elektronischen Chip Informationen über das Verhalten der Rinder: Zu welchem Zeitpunkt grast die Kuh? Wie häufig liegt sie? Wann käut sie wieder? Aus diesen Daten kann der Landwirt ablesen, ob die Kuh gesund ist, verletzt oder gar in Gefahr. Nähert sich das Tier einem Abgrund oder eine Straße, sendet das System eine Warnmeldung.

In Grub testet man moderne Ansätze im Stall und auf dem Feld, um den Landwirten entsprechende Empfehlungen geben zu können. Ein weiteres Fachgebiet der Landesanstalt ist die Tierzucht. Es gibt zum Beispiel eine Besamungsstation, in der ein Stoff gewonnen wird, der leistungsfähigen Rindernachwuchs verspricht. Im Institut für Tierernährung und Futterwirtschaft wird der Nährstoffgehalt von Futtermitteln und Fleisch getestet.

Die Wissenschaftler testen, wie man Schafe vor den Wolf schützt

Es geht darum herauszufinden, welche Nähr- und Mineralstoffe im Futter das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit der Tiere fördern. Und, weil Bayern das Schafland Nummer eins ist, forschen, beraten und informieren Wissenschaftler in einer eigenen Abteilung am Institut für Tierzucht speziell zur Schaf- und Ziegenhaltung.

Christian Mendel zum Beispiel. Der Agrarwissenschaftler und promovierte Tierzüchter ist ein großer Fan von Schafen. Fast das ganze Jahr über weiden seine Schafe auf den Gruber Koppeln. Mendel klettert über den Zaun, treibt sanft eine Herde auseinander, greift ein Lamm heraus und nimmt es auf den Arm. Das Tier meckert und blökt - und mit ihm die ganze Sippschaft. Zuchtleiter Mendel lächelt und erklärt: "Das Schaf ist ein Herdentier." Und zudem das wertvollste Nutztier in der Landschaftspflege, ergänzt er.

Blick hinter die Kulissen
:Tag der offenen Tür

Die Veranstalter rücken die tierischen Akteure sowie die aktuellen Forschungsarbeiten der LfL in den Mittelpunkt

Einen besseren Rasenmäher als das Schaf gebe es nicht. Das Schaf fresse das Gras unregelmäßig ab, wodurch eine reiche Vegetationsstruktur entstehe. Aus manchem Stängelüberbleibsel bilden sich Blüten, die Schmetterlinge und Wildbienen anziehen. Leider, sagt Mendel, sei die Schafhaltung in Deutschland kaum noch wirtschaftlich und entwickele sich daher immer mehr zu einem Hobby.

Und weil Mendel sich mit Schafhaltung beschäftigt, ist auch der Wolf für ihn ein Thema. Ein Wolfsfreund ist der Tierzüchter sicher nicht. Im Gegenteil, besorgt ist er wegen der Schafe. Der Wolf sei schon bis in die Oberpfalz vorgedrungen. Jetzt arbeitet Mendels Abteilung an Schutzmaßnahmen, bewertet zum Beispiel Weidegebiete und gibt Empfehlungen für Schäfer heraus. Wolfsmanagement sozusagen. Ein Elektrozaun, einen Meter hoch mindestens, das böte Schutz für die Herde. Und diesen Zaun müsse der Wolf akzeptieren. Ganz überzeugt klingt Mendel nicht. Die Schafe in Grub stehen nachts wohlbehütet im Stall.

© SZ vom 06.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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