Dortmund-Fans in München:Frotzeleien und angespannte Stimmung

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Anlaufpunkt im Exil: Dortmunder Fans bei der Fernsehübertragung in der Schwabinger Kneipe Clemensburg. (Foto: Robert Haas)

Die "Münchner Borussen" erfahren so viel Zulauf, dass ihre alte Stammkneipe längst zu klein geworden ist. Bei großen Partien treffen sich bis zu 500 BVB-Fans zum gemeinsamen Schauen. Doch trotz des Champions-League-Finales gegen Bayern München sind das Wichtigste immer noch die Spiele gegen Schalke.

Von Florian Fuchs

Vor zwei Jahren, als Borussia Dortmund diesen Meistertitel geholt hat, an den eigentlich lange niemand glaubte, da tat Johannes Mischo etwas, was er nie wieder tun wird. "Das war schon ein bisschen provokativ", sagt er. Johannes Mischo und etwa 50 Freunde von den "Münchner Borussen" hatten dermaßen viel Glückshormone im Blut, als nach dem Schlusspfiff die Meisterschaft feststand, dass sie sich in die U-Bahn setzten, zum Marienplatz fuhren und dort ausgiebig und lautstark die Schale feierten. Und zwar ausgerechnet an einem Spieltag, an dem der FC Bayern in Fröttmaning gegen Schalke 04 spielte. "Lustig war", sagt Mischo, "dass die Schalker Fans davon mehr angefressen waren als die von den Bayern."

Johannes Mischo ist nicht gerade der Typ Fan, der gerne provoziert. Deshalb wird er im Falle eines Champions-League-Sieges des BVB auch nicht noch einmal in die Innenstadt fahren und den Münchnern eine lange Nase zeigen. "Das war ein bisschen dumm damals. Ich fände es auch nicht toll, wenn die Roten auf unseren Plätzen in Dortmund rumspringen", sagt der 28-Jährige. Johannes Mischo ist also eher ein ruhiger Zeitgenosse, der leise spricht - aber als Fan trotzdem ziemlich was auf die Beine gestellt hat.

Als Vorsitzender des ersten und größten BVB-Fanklubs in München hat er es geschafft, dass in einer Stadt, in der in Kneipen sonst nur Spiele des FC Bayern oder höchstens mal die Bundesliga-Konferenz gezeigt wird, seit drei Jahren auch Borussen einen Anlaufpunkt haben. Bei großen Partien kommen inzwischen bis zu 500 Fans zu den "Münchner Borussen" in die Storchenburg am Ostbahnhof, um den BVB anzufeuern. Es gibt sogar so viele Anhänger von Dortmund in dieser Stadt, dass der Fanklub aus seiner alten Stammkneipe, der Clemensburg in Schwabing, ausziehen musste, weil das Kreisverwaltungsreferat wegen des Andrangs Probleme gemacht hat. Im Exil in München lässt es sich als BVB-Fan offenbar ganz gut leben. "Wir hatten hier noch nie Probleme mit Bayern-Fans", sagt Mischo: "Es ist eigentlich immer ganz lustig, das sind eher so die täglichen Frotzeleien."

Angefangen hat alles im Jahr 2010, just in dem Moment, als Dortmund Anlauf nahm zu seiner ersten Meisterschaft nach zehn Jahren. "Da hatten wir wohl einen ganz guten Riecher", sagt Mischo. Dem Studenten der Fahrzeugtechnik und einem Kumpel von ihm war es schlicht zu blöd, dass sie in Kneipen immer nur den FC Bayern sehen konnten, aber nie den BVB. "Also haben wir uns zusammengesetzt, ein Gruppe bei Facebook aufgemacht, um Mitstreiter zu finden. Und dann haben wir Wirte durchtelefoniert." Sie haben eine Gaststätte im Schlachthofviertel gefunden, die sich bereit erklärte, jeden Samstagnachmittag aufzusperren und ein paar Dortmunder einzulassen.

Aber bald kamen 50 Leute und dann noch mehr, obwohl in der Hinrunde noch gar nicht absehbar war, dass Dortmund tatsächlich wieder Meister werden könnte. "Wir haben uns damals ein bisschen selbst gewundert, dass noch niemand sonst auf die Idee gekommen war", sagt Mischo. Stuttgarter, Freiburger, Bremer, Gladbacher - alle hatten sie eine Kneipe in München, bloß für Dortmunder hatte es nie etwas gegeben. Es war eine ziemlich große Marktlücke, denn als der BVB in der Saison auch noch richtig erfolgreich wurde, da "explodierte was", wie Mischo sagt. Die Münchner Borussen zogen um in die größere Clemensburg, aber weil dort in der Halbzeit immer 50 Raucher gleichzeitig vor die Tür gingen, hatte die Wirtin irgendwann Angst um ihre Konzession. "Jetzt in der Storchenburg, am Ostbahnhof, da stören wir keinen", sagt Mischo.

Der 28-Jährige stammt gar nicht aus Dortmund, er kommt aus dem Saarland, "dort war man entweder Lauterer oder Anhänger von den Bayern". Ihm hatten es als Grundschüler die Dortmunder angetan, den Grund weiß er nicht mehr so genau. Aber er ist schon als Jugendlicher oft mit dem Zug ins damalige Westfalenstadion gefahren und hat sich Partien angeschaut. Zum Studium zog er nach München: "Und hier gehe ich auch nicht mehr weg." Es gibt schon einige bei den Münchner Borussen, die Heimweh haben. Aber erstens kann man immer mal rauf fahren und sich Spiele im Stadion anschauen. Und zweitens haben sie ja jetzt ihr Kurvenerlebnis auch in München, in den Räumen am Ostbahnhof.

Es ist aber trotzdem nicht immer leicht, sich als Borussen-Fan zu behaupten in München. "Da fliegen schon die Sprüche, gerade in der Arbeit", sagt Mischo. Aber ihm macht das Spaß. "Unter die Gürtellinie geht es eigentlich immer nur, wenn Anhänger von anderen Mannschaften im Spiel sind." Sie haben mal auf dem Weg zum Fußballgucken einen Frankfurter in der S-Bahn getroffen, der hat Mischo und seine Freunde übel beschimpft wegen ihrer BVB-Trikots. Von Bayern-Fans kennt er so etwas in dem Ausmaß nicht. Vielleicht sagt er es aber auch einfach nicht, um nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen. Die Rivalität ist nämlich schon etwas ausgewachsener, das gibt Mischo zu, seit die Dortmunder den FC Bayern so geärgert haben in den vergangenen zwei Jahren.

Für viele BVB-Fans, die in München geboren wurden, sind die Partien gegen Bayern deshalb die Höhepunkte der Saison. Das wiederum versteht Mischo nicht so ganz: "Das ist für uns Zugereiste aus anderen Regionen oder eben für die Leute aus Dortmund überhaupt nicht nachvollziehbar." Natürlich ist die Stimmung angespannt, wenn eine Partie wie die in Wembley naht. Im Elfmeterschießen wird Dortmund laut Mischos Tipp übrigens gewinnen, Arjen Robben verschießt.

Aber die echten Höhepunkte, das sind nicht die Spiele gegen den FC Bayern München. "Das Wichtigste für uns", sagt Mischo, "werden immer die Spiele gegen Schalke sein."

© SZ vom 24.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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