Deutscher Filmball:Tanzen im neuen Takt

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Obwohl der rote Filmballteppich noch immer einer der wichtigsten Laufstege des Leinwandgeschäfts ist, fehlen jedes Jahr mehr der großen Namen des Filmgeschäfts.

A. Goebel und P. Crone

Natürlich sind die goldenen Zeiten ohnehin schon länger vorbei. Die Jahre, als im winterlichen München der Partykalender für Januar ein Glanzlicht verhieß, das in den nachfolgenden Monaten keine ernsthafte Konkurrenz von ähnlicher Strahlkraft fürchten musste. Deutscher Filmball im Bayerischen Hof, erster gesellschaftlicher Höhepunkt im noch ganz frischen Jahr: Da fragte man früher nicht, wer kommt, sondern nur, wer - was keiner verstand - nicht dabei ist.

Horst Seehofer und seine Frau Karin beim Deutschen Filmball 2009. (Foto: Foto: ddp)

Fotos aus den vergangenen knapp 40 Jahren zeigen ein Ereignis, bei dem die Filmbranche eine Nacht lang die Gläser auf sich selbst erhob, Champagner natürlich. Romy Schneider in Goldlamé, Nastassja Kinski im Gespräch mit einem bubenhaft schmalen Bernd Eichinger, die Sphinx Klaus Kinski am Tisch von 20th Century Fox - wer etwas galt im Kinogeschäft, war dabei, wenn die großen Verleiher an ihre begehrten Tische im Ballsaal am Promenadeplatz luden.

Das ist längst anders geworden, jedes Jahr fehlen mehr der großen Namen aus der Branche. Ohne Zweifel ist der rote Filmballteppich vorm Bayerischen Hof noch immer einer der wichtigsten Laufstege des Leinwandgeschäfts. Aber die Gästeliste erscheint heuer doch etwas mager, selbst gemessen daran, dass die große Ära schon eine Weile passé ist.

Veronica Ferres? Weilt in Amerika. Mario Adorf? Plant keine München-Reise an diesem Wochenende. Katja Riemann? Ist in Ferien in Indien. Iris Berben macht Urlaub, Heiner Lauterbach spielt Theater, Sebastian Koch hat zu viel zu tun, Ulrich Tukur und Uwe Ochsenknecht sind anderweitig beschäftigt, Johanna Wokalek, die erfolgreiche Film-"Päpstin", wird wohl auch nicht kommen.

Ein Stargast, wie im vergangenen Jahr zum Beispiel 007-Darsteller Daniel Craig, wird auch nicht erwartet, stattdessen kommt der Wiener Bauunternehmer und Opernball-Boss Richard "Mörtel" Lugner. Ansonsten müssen Uschi Glas, Senta Berger, ihr erfolgreicher Sohn Simon Verhoeven ("Männerherzen"), Til Schweiger oder das Paar Bernd und Katja Eichinger dem Abend Glanz verleihen. Doch die zahlreichen Absenzen sagen etwas aus über die Branche.

Man muss ja nicht, wie manche in der Branche orakeln, gleich das "Ende des Glamours" beim Filmball und - das wird noch nachgeschoben - auch bei der Bambi-Verleihung heraufbeschwören. Vielleicht hat es eher damit zu tun, dass zu viele angebliche Stars und Sternchen bei zu vielen Veranstaltungen präsent sind und etwas sagen, aber manchmal nur sehr wenig zu sagen haben. Das hat zur Folge, dass man, um mitzuhalten, als Schauspieler an vielen Orten sein muss, in vielen Filmen, auf vielen Werbefotos.

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"Die Leute sind heute viel enger getaktet", so sagt das Bernd Rathjen. Er ist Inhaber der Berliner Eventagentur "Corporate Candy", die den Filmball im Auftrag des Veranstalters, der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO), plant und organisiert. Mit "getaktet" meint Rathjen den engen, von Managern und Agenten straff verwalteten Wochenplan der Stars. "Sie haben nicht mehr die Gewalt über ihren Terminkalender wie früher."

Steigende Besucherzahlen und neue Absatzrekore - die Filmbranche hätte gute Gründe zu feiern. (Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Auch wenn das mehr nach preußischer Pflichterfüllung klingt als nach Hedonismus: Ein ausgelassenes Fest dürften die mehr als 1000 Gäste trotzdem feiern, an den Tischen im Ballsaal des Bayerischen Hofs, beim traditionell mitternächtlichen Weißwurstessen im Keller, auf den eigens per Spezialbehandlung präparierten Tanzböden aus Parkett und Marmor. Grund zur Freude gibt es jedenfalls, das betont der SPIO-Präsident Steffen Kuchenreuther.

Im Krisenjahr 2009 stiegen die Besucherzahlen in den Kinos, gab es Absatzrekorde im Bereich Home Entertainment, liefen mehr als 200 erstaufgeführte deutsche Filme. Kuchenreuther ist zufrieden mit dem "Aufwind", den gerade eine kreative Branche in düsteren wirtschaftlichen Zeiten unbedingt nötig habe. Solche Zahlen lassen den SPIO-Chef wahrscheinlich noch beschwingter Walzer tanzen als sonst, und überhaupt hat jeder Besucher seine persönliche Filmball-Erwartung und Erfahrung.

Kuchenreuther zum Beispiel ist gespannt, ob Ministerpräsident Horst Seehofer wohl wieder vom Protokoll abweicht und statt seiner Frau Kuchenreuthers Gemahlin zum Eröffnungstanz auffordert. Erol Sander konzentriert sich auf das richtige Outfit, nicht dass er wieder sein seidenes Einstecktuch vergisst und es im letzten Moment durch eine Socke ersetzen muss. Und Doris Dörrie freut sich vor allem auf das Weißwurstessen um Mitternacht. "Da ist das Make-up verrutscht, das Kleid zerknittert, aber die Stimmung plötzlich unverkrampft und lustig, als wäre vorher alles nur Film gewesen."

Der Concierge-Service im Bayerischen Hof hofft auf wenige Stiletto-Pannen und gerissene Smoking-Knöpfe, hat aber beides auf Lager. Auch Champagner ist genug da, im vergangenen Jahr wurden 500 Flaschen geleert. Insgesamt 50 Köche und 110 Servicekräfte stehen am Samstag wieder bereit. Das Team von Bernd Rathjen bemüht sich, das Areal vor dem Eingang von Schnee und Splitt freizuhalten, um den 40 Meter langen roten Teppich festkleben zu können. Und Uschi Glas ist gespannt auf ihr Ohrgehänge, das der Juwelier Sevigné ihr eigens für den Abend netterweise zur Verfügung stellt. Weißgold mit Brillanten, Südseeperlen und einer Quaste aus Rohdiamanten. Die glänzen richtig.

© SZ vom 15.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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