Der brasilianische Tanz Forró:Gute Führung

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Eng, sinnlich, erotisch - das ist Forró. Der brasilianische Tanz ist in München gerade ganz angesagt - obwohl es bisher (noch) sittsam zugeht.

Florian Fuchs

Der Abstand", Alex sagt das gleich zu Beginn, "tendiert gegen Null." Gemeint ist der Abstand zwischen Mann und Frau, zwischen den Tanzpartnern. "Den Arm fest um die Hüfte, sonst kann der Mann nicht führen." Grundregel eins ist also schon einmal verstanden: Forró, so heißt der Stil, wird eng und sinnlich getanzt, wie sollte es auch anders sein, kommt ja aus Brasilien. Der Grundschritt ist jetzt nicht mehr schwer: Linker Fuß vor, zurück, kurze Pause, dann rechter Fuß zurück und wieder vor, kurze Pause. Das also ist der beliebteste Paartanz Brasiliens.

Auf Tuchfühlung: Forró wird eng getanzt - den Arm fest um die Hüfte, sonst kann der Mann nicht führen, sagen Profis. Anfänger geben sich bei den Partys in der Max-Emanuel-Brauerei manchmal noch schüchtern. (Foto: N/A)

Es wird natürlich noch etwas komplizierter auf der einzigen Forró-Party Münchens, die alle zwei Wochen in der Max-Emanuel-Brauerei stattfindet. Doch all die Figuren und Drehungen kann Fabian, der Tanzlehrer, bei der Einführung für alle Anfänger nicht zeigen. Es reicht auch so: Nach einer halben Stunde wird das Licht im Saal dunkler, die Discokugel fängt an sich zu drehen, und die Party startet, mit Forró-Beginnern und Forró-Könnern.

Schon länger gibt es Forró-Partys in Paris oder Lissabon, in Deutschland hat man den Trend aus Brasilien ein bisschen verschlafen. In den großen Städten gibt es einige Treffs, in Berlin zum Beispiel; die größte Begeisterung um Forró herrscht in Stuttgart, wo es ebenfalls regelmäßige Partys gibt. In München hat vor einem Jahr eine kleine Gruppe von Brasilienfreunden begonnen, den Tanz einzuführen. Inzwischen ist er auch hier ganz gut etabliert, etwa 150 Gäste kommen alle zwei Wochen zu den Partys, an den übrigen Donnerstagen kann man regulären Tanzunterricht buchen und sich in lateinamerikanischen Bewegungen versuchen.

Dabei ist der Tanz gar keine rein brasilianische Erfindung, die Musik hat viele europäische Einflüsse, von Polka, Klezmer bis hin zur Musik der Sinti und Roma. Die Legende besagt, dass der Begriff "Forró" vom englischen "for all" stammt. Als eine britische Firma im 19. Jahrhundert Eisenbahnschienen durch Brasilien baute, soll sie abends öfter Tanzpartys für die Arbeiter geschmissen haben - und die waren eben offen "für alle".

Die brasilianischen Arbeiter, die kein Englisch sprachen, machten daraus Forró. Andere erzählen, dass Forró die Bezeichnung der Hütten war, in denen die Brasilianer tanzten, oder die Bezeichnung vom Begriff forróbodó stammt: Unordnung. Denn der Rhythmus der Musik, die vor allem aus den Instrumenten Triangel, Basstrommel und Akkordeon besteht, setzt sich aus zahlreichen verschiedenen Rhythmen anderer Musikrichtungen zusammen.

Früher war Forró der Tanz des einfachen Volks, beliebt vor allem im ländlichen Nordosten Brasiliens, heute tanzt man ihn vor allem in den großen Städten, in Rio de Janeiro, São Paulo und Belo Horizonte. In den achtziger Jahren entwickelten Studenten den Tanz weiter, zu den Grundschritten kamen Drehungen und Figuren, sie nannten es Forró universitário. Der Tanz ist dem Salsa ähnlich, nur eleganter, es wird weniger die Hüfte eingesetzt.

Auch die Musik hat sich weiterentwickelt: In der Max-Emanuel-Brauerei spielen sie sogar Bob Marleys "No woman, no cry" in portugiesischer Version zum Forró. Gerade in Brasilien vermischt sich die Forró-Musik immer mehr mit Pop, und auch der Tanz verändert sich. "Er wird dort immer anzüglicher", sagt Alex. Aber das soll sich in München nicht durchsetzen. Null Abstand schon, ansonsten sind das hier gesittete Partys.

© SZ vom 05.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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