Debatte über Leinenzwang für Hunde:Das gebremste Lauftier

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Hundeleben: Tierärztin Iris Scharfenberg findet Leinenzwang nur für große Hunde das falsche Signal. (Foto: Hess)

Leinenzwang oder Hundeführerschein: Der Münchner Stadtrat reagiert auf die steigende Zahl von Vorfällen mit aggressiven Tieren. Bei den Hundehaltern sind die Meinungen gespalten - zwischen Zustimmung und "ziemlich dumm" ist alles dabei.

Von Thomas Anlauf

Poldi rennt. Jagt dem roten Ball hinterher, der den Gehweg in der Lothringer Straße hinunter hüpft. Der Gehweg ist Poldis Revier. Die schwarz-weiß gefleckte Promenadenmischung ist gerade mal 30 Zentimeter hoch. Eine Leine hat er keine. Niedlicher Hund, sagen die Leute.

Mitten im Gang der S 7 von Mittersendling Richtung Innenstadt liegt ein grauhaariger Hund, Typ Wolf. Wer an ihm vorbei will, muss über ihn hinwegsteigen. Was niemand tut. Das Tier liegt an der Leine.

Zwei Situationen, die verschiedener nicht sein können, und doch geht es um das Gleiche: In München gilt jetzt Leinenzwang für Hunde. "Neue Münchner Linie" nennt das der Chef des Kreisverwaltungsreferats, Wilfried Blume-Beyerle, und das klingt wohl bewusst nach der Polizei-Maxime der "Münchner Linie", wonach kleine Delikte eher großzügig, größere aber mit aller Härte verfolgt werden. Der Stadtrat will damit auf die steigende Zahl an Vorfällen mit Hunden reagieren.

Ein besonders tragischer Fall ist die kleine Pauline: Am 9. Juni 2012 wurde die Zweijährige in Harlaching von einem Hund attackiert und schwer verletzt. Die Reaktionen auf die Hundeattacke waren heftig: Verbotszonen für Hunde, genereller Leinenzwang, Hundeführerschein, lauteten die Forderungen. Jetzt also der Leinenzwang, doch auch darüber schütteln viele den Kopf. Denn er gilt lediglich für Hunde ab einer Schulterhöhe von 50 Zentimetern, nur innerhalb des Altstadtrings und generell in den Münchner Fußgängerzonen sowie in öffentlichen Verkehrsmitteln. Bringt das etwas?

"Ziemlich dumm" sei das, sagt Iris Scharfenberg. Die junge Tierärztin, die mit ihrer kleinen Mischlingshündin Nahla am Königsplatz spazieren geht, hält die 50-Zentimeter-Regelung für falsch: Es seien wenn dann eher kleine Hunde, die auch mal zubeißen, "Wadlbeißer halt". Als kleine Hunde gelten auch die als Kampfhunde eingestuften Bullterrier, die oft nicht größer als 40 Zentimeter sind. Über einen generellen Leinenzwang an bestimmten Orten könne man nachdenken, sagt Iris Scharfenberg, etwa an stark befahrenen Straßen: "Aber das wäre zum Schutz für den Hund."

Innenstadt ist für Hunde "der pure Stress"

Samstagmittag am Viktualienmarkt: Georg Ernst hat seinen Dobermann Alf an der kurzen Leine. Die zwei haben es eilig, und seinen richtigen Namen möchte Ernst auch nicht in der Zeitung lesen - die Debatte um den Leinenzwang ist ihm zu aufgeheizt. "Natürlich habe ich ihn hier an der Leine", sagt er. Ernst will damit nicht nur den Menschen signalisieren, dass von seinem Hund keine Gefahr ausgeht, sondern mit der Leine auch dem Tier ein Sicherheitsgefühl geben. "Die Innenstadt mit den vielen Leuten ist für die Tiere doch der pure Stress."

Tatsächlich sind zwischen Stachus und Isartor an diesem Wochenende kaum Hunde mit ihren Haltern zu sehen. Wer sie sucht, muss in die Parks der Stadt, etwa in den Englischen Garten südlich vom Aumeister oder in die Maximiliansanlagen. Der Westpark hingegen war für freilaufende Hunde bereits in der Vergangenheit tabu - ebenso wie Spielplätze.

"Es gibt schon Orte, wo es besser ist, Hunde an die Leine zu nehmen", sagt der 27-jährige Cem. Er und seine Freundin Julia sind gerade mit Buddy unterwegs, einem American Bully. Buddy sieht ziemlich imposant aus mit seinem Stiernacken und den kräftigen Beinen. Aber wie man sich täuschen kann: Die Rasse gilt als gutmütig, ist als Familienhund geeignet. Leinenzwang in Parks hält Cem für absurd. "Die Parks sind sie schließlich zum Auslaufen da", sagt er. Das halten andere für nicht so selbstverständlich. Gerade im Englischen Garten ist es in der Vergangenheit immer wieder zu Hundeattacken gekommen.

Der American Bully Buddy sieht ziemlich imposant aus, die Tiere gelten aber als gutmütig. (Foto: Hess)

In der Diskussion um gefährliche Hunde sagen vor allem Tierfreunde, dass nicht der Hund, sondern der Halter das Problem sein kann. Experten fordern deshalb seit langem die Verpflichtung zum Hundeführerschein. Diese Ausbildung bei Hundeschulen soll bescheinigen, dass Herrchen oder Frauchen den Hund im Alltag unter Kontrolle hat und von dem Tier keine Gefahr ausgeht.

Verpflichtend will das die Stadt bislang nicht einführen. KVR-Chef Blume-Beyerle setzt vielmehr auf Freiwilligkeit. Derzeit wird lediglich darüber nachgedacht, ob man Münchner Hundehalter damit locken kann, indem die Kosten für einen Hundeführerschein ersetzt werden. Etwa 100 Euro kostet eine derartige Prüfung, in München sind 27.000 Hunde gemeldet.

Hundegutachter Michael Abelski plädiert dafür, den Hundeführerschein verpflichtend einzuführen. Einen generellen Leinenzwang lehnt er hingegen ab. Ein Hund, meint er, "braucht als Lauftier gewisse Flächen, um sich auszutoben und soziale Kontakte zu pflegen". Das Problem mit aggressiven Hunden seien vor allem die Halter, so der Experte, der im Auftrag der Regierung von Oberbayern Gutachten über Hunde erstellt.

München - besonders hundefreundlich?

Bruno Börger geht seit zehn Jahren täglich mit seiner Hündin Elsa an der Isar spazieren und lässt den Labrador-Mischling dort frei laufen. "Es gab noch nie Probleme", sagt der Münchner Kinobetreiber. Er hält München eigentlich für eine besonders hundefreundliche Stadt. "Das Miteinander ist aber besonders wichtig", sagt er. Nicht jeder möge Hunde, und deshalb ist es für ihn selbstverständlich, dass er seine Elsa in der Innenstadt oder im Biergarten an die Leine nimmt.

Sollte es allerdings einmal einen Leinenzwang an seinem Lieblingsort an der Isar geben, wäre das für ihn problematisch. In der Debatte um Hundehaltung in der Stadt hofft er deshalb, dass "die Stimmung jetzt nicht kippt". Aber eigentlich vertraut er auf die sprichwörtliche Münchner Toleranz.

© SZ vom 06.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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