Straßenverkehr:76 Stunden im Stau

Straßenverkehr: Nichts geht mehr - so wie hier am Frankfurter Ring auf Höhe der Ingolstädter Straße.

Nichts geht mehr - so wie hier am Frankfurter Ring auf Höhe der Ingolstädter Straße.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Eine Statistik des Navi-Herstellers Tomtom zeigt, dass Autofahrer in München immer länger im Stau stehen.
  • Um die Verkehrsprobleme in den Griff zu bekommen, setzen CSU und SPD auf neue Straßentunnel. Die Grünen plädieren dagegen für einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs.

Von Marco Völklein

Autofahrer in München verbringen immer mehr Zeit im Stau. Das zeigt der neueste "Stau-Index" des niederländischen Navigationsgeräteherstellers Tomtom. Demnach haben Münchens Autofahrer im vergangenen Jahr im Durchschnitt während der staureichen Hauptverkehrszeit 27 Prozent länger gebraucht, um an ihr Ziel zu kommen - verglichen mit Zeiten, in denen der Verkehr frei fließen kann. Im Jahr 2013 lag der Stau-Index-Wert bei 26 Prozent; im Jahr 2012 sogar nur bei 24 Prozent. "Über die Jahre zeigt sich eine zwar leichte, aber dennoch stetige Verschlechterung der Münchner Verkehrssituation", sagt Tom Henkel von Tomtom.

Um den Stau-Index zu ermitteln, fragt das Unternehmen über die Navigationsgeräte der Kunden regelmäßig anonymisierte Daten über die Verkehrslage auf den Straßen ab. Die Kunden müssen dazu ausdrücklich ihre Genehmigung erteilen. Wer diese verweigert, wird von dem System nicht erfasst. Fachleute des Unternehmens können dann aus den Daten herauslesen, wie oft und wo genau die Autos schleppend oder gar nicht vorankamen. Pro Tag tragen sie so eine Milliarde Daten zusammen - und erkennen darin unterschiedliche Muster. Mit dem Stau-Index können sie die Verkehrssituation in mehr als 200 Städten weltweit abbilden.

Pendler standen 2014 durchschnittlich 76 Stunden im Stau

In München zum Beispiel zeigt sich so, dass ein durchschnittlicher Pendler, der etwa 30 Minuten zur Arbeit fährt, im vergangenen Jahr gute 76 Stunden im Stau verbracht hat. 2012 lag dieser Wert noch bei 71 Stunden. Und die Daten zeigen auch, dass sich der Verkehr in und um München nicht so sehr auf den Autobahnen staut, sondern vor allem im nachgeordneten Straßennetz, also den Ring- und Einfallstraßen: Während der Stau-Level auf den Autobahnen rund um München bei 20 Prozent liegt, rangiert er laut Tomtom auf den nachgeordneten Straßen bei 35 Prozent.

Allerdings zeigen die Daten auch, dass sich die Stausituation in München verglichen mit anderen Städten noch relativ entspannt darstellt. Stau-Stadt Nummer eins weltweit ist Istanbul: Dort dauern Fahrten tagsüber wegen der vielen Staus und Behinderungen 58 Prozent länger als in den stau-freien Nachtstunden. In Deutschland liegen zudem Stuttgart und Hamburg mit jeweils 32 Prozent vor der bayerischen Landeshauptstadt. Auch in Köln (29 Prozent) und Berlin (28 Prozent) stellt sich die Stau-Lage schlechter dar als in München.

GDL-Streik sorgte für noch mehr Stau

Der Tag mit den meisten Staus und Behinderungen in München war im vergangenen Jahr übrigens der 6. November. An dem Tag hatte die Lokführergewerkschaft GDL zum Ausstand aufgerufen. Die Tomtom-Leute glauben, dass dies ein Grund für die hohe Staudichte an dem Tag war. "Allerdings sind das alles nur Vermutungen", sagt Henkel. Wirkliche Erklärungen kann er kaum bieten. "Wir können mit unseren Daten nur aufzeigen, wie sich die Situation darstellt und wie sie sich in den vergangenen Jahren entwickelt hat."

Dennoch dürften die neuen Stau-Daten im Rathaus aufmerksam verfolgt werden. Denn nach wie vor rangeln die Parteien mit verschiedenen verkehrspolitischen Ansätzen darum, wie sie den Münchner Stau auflösen können. CSU und SPD haben sich in ihrer Kooperationsvereinbarung auf eine Art Doppelstrategie geeinigt: Sie wollen zum einen den U-Bahn-Bau massiv voranbringen, unter anderem ist die Verlängerung der U 5 von Laim nach Pasing geplant. Zudem setzen sich die beiden Fraktionen immer wieder dafür ein, im Münchner Norden eine Verbindungsspange zwischen U 2 und U 6 zu buddeln.

Grüne wollen auf Nahverkehr setzen

Parallel dazu wollen die beiden Parteien weitere Straßentunnel am Mittleren Ring bauen - unter anderem an der Landshuter Allee, der Tegernseer Landstraße sowie unter dem Englischen Garten. Noch in diesem Jahr könnte dazu eine Entscheidung fallen, welches dieser drei Projekte zuerst begonnen wird. Auch die FDP fordert schon länger weitere Straßentunnel. Zudem würden die Freien Wähler die Tunnelpläne erweitern: Sie würden - zusätzlich zu den drei genannten Projekten - weitere Röhren unter der Chiemgaustraße sowie am Leuchtenbergring graben und hatten dazu das Verkehrsberaterbüro Vieregg-Rößler betraut, konkrete Vorschläge auszuarbeiten.

Vertreter der Grünen, der ÖDP und der Linken sehen dagegen in den ganzen Plänen eher einen "Tunnelbauwahn" denn die Lösung der Verkehrsprobleme. So plädieren die Grünen dafür, noch viel stärker auf den öffentlichen Nahverkehr zu setzen - und diesen weniger mit Großprojekten auszubauen, sondern in kleineren Schritten. Zuletzt hatten sie unter anderem vorgeschlagen, die Taktzeiten bei Bussen und U-Bahnen massiv zu verdichten und den Bürgern ein besonders günstiges Ticket anzubieten, um ihnen den Umstieg vom Auto auf Busse und Bahnen zu erleichtern. Außerdem plädieren die Grünen für eine massive Anhebung der Parkgebühren in den städtischen Parklizenzgebieten, um so den Autoverkehr möglichst aus der Stadt herauszuhalten. CSU und SPD hatten diesen Vorschlag indes zurückgewiesen.

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