Damals in der Zeitung:12. Januar 1918

Der Sultan des Osmanischen Reiches hat seine Palastkapelle auf eine Tournee geschickt

Die Münchner sind auch in dieser Zeit kultur- und vergnügungssüchtig und fiebern deshalb einem ganz besonderen Ereignis entgegen. Der Sultan des Osmanischen Reiches, Deutschlands Verbündeter, hat seine Palastkapelle auf eine Tournee in die Hauptstädte seiner Kriegspartner geschickt. Mit ihren Konzerten soll sie Geld für das Rote Kreuz sammeln. In München finden zwei Konzerte statt, eines im Odeon und eines im Löwenbräukeller. Am Samstag, 12. Januar, melden die Münchner Neuesten Nachrichten die Ankunft der Palastkapelle: "Ihre Mitglieder wohnen im Hotel Bayerischer Hof." Die Residenzstadt ist kurzfristig im orientalischen Rausch: Die Stadt organisiert türkisch sprechende Fremdenführer und einen Besuch der Musiker im Rathaus inklusive Eintragung ins Goldene Buch, es gibt eine Parade an der Feldherrnhalle. Für das Konzert im Odeon hat ein Maler eigens ein Programmheft entworfen, "in rein türkischem Charakter". "Es muss daher von rückwärts nach vorwärts gelesen werden", erklären die MNN. Die Musiker vom Bosporus spielen eine bunte Mischung aus Beethovens "Eroica", Wagners Vorspiel zu den "Meistersingern" und türkischer Musik. Davor warnen die MNN ihre Leser: "Die rein orientalische Musik, die sich auf Führung einer einzigen Melodie mit Begleitung durch Schlagzeug beschränkt, wirkt auf europäische Ohren auf die Dauer sehr ermüdend." Trotzdem sind die Konzerte ausverkauft und werden bejubelt. König Ludwig III. zeichnet in einer Pause alle Musiker eigenhändig aus, und die MNN schwärmen danach vom "warmen Empfang der Münchner" für die Kriegsfreunde vom Bosporus.

© SZ vom 12.01.2018 / kc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: