Wohnen neben Gleisen:Zuglärm hält Anwohner wach

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Die Bahn lässt an der ICE-Strecke in Karlsfeld die alten Schallschutzwände abbauen. Wegen eines Lieferengpasses kommen die neuen Platten erst im Frühling. Bürger in der Rothschwaige sind verärgert

Von Christiane Bracht, Dachau/Karlsfeld

Nachts donnern scheinbar endlos lange Güterzüge über die Gleise, sodass diejenigen, die nahe der Strecke Nürnberg-München wohnen, des Öfteren jäh aus ihren Träumen schrecken. Tagsüber klappern die Kaffeetassen in den Schränken und wer sich unterhält, muss im Takt der Züge seine Gespräche unterbrechen, weil man sein eigenes Wort nicht mehr versteht. Die Anlieger sind verärgert. "Das ist eine erhebliche Beeinträchtigung unserer Lebensqualität", klagt Petra Röhrle aus der Rothschwaige.

Die Lärmschutzwände entlang der Bahnstrecke München-Nürnberg sind bereits seit Sommer vergangenen Jahres abmontiert. Wenn ein kräftiger Westwind bläst oder die Luftschichten klar sind, ist das Rattern und Dröhnen der ICEs und Güterzüge besonders laut. "Am schlimmsten sind die alten Güterzüge mit den Kesselwagen. Das sind wahre Lärmschleudern", schimpft Röhrle. Aber auch die ICEs sind für die lärmgestressten Anlieger der Trasse eine wahre Geduldsprobe, denn zu den Stoßzeiten fahren drei ICEs innerhalb von zehn Minuten an den Häusern vorbei, sagt die Karlsfelderin. "Das ist keine Nebenstrecke." Eine Bürgerinitiative habe vor etwa 15 Jahren vehement für diese Lärmschutzwände gekämpft, erinnert sie sich. "Und jetzt werden sie stillschweigend einfach aufgelöst?"

Nur die Stangen, die die Wände halten, stehen noch

Am meisten erbost sie, dass die Wände auf der östlichen Seite, an der nur Landwirtschaft angrenzt, noch stehen, doch an der Seite zu den Häusern hin, sind sie seit langem abgebaut - "in einer Nacht- und Nebelaktion", so Röhrle. Nur die Stangen, die die Wände gehalten hatten, stehen noch. "Monatelang lagen die Platten neben den Gleisen, jetzt sind sie abtransportiert worden." Die Karlsfelderin hat sich bereits bei der Bahn beschwert, die Antwort sei aber wenig zufriedenstellend gewesen, sagt sie. Das Unternehmen habe sich für den Lärm der Bauarbeiten entschuldigt - obwohl ja einfach gar nichts geschehe. Bis Ende Januar müssten sich die Anwohner gedulden, hieß es. Doch das glaubt in der Rothschwaige niemand mehr.

Die Erneuerung der Lärmschutzwände verzögert sich, heißt es unterdessen bei der Bahn. Man hoffe, bis zur Jahresmitte 2018 fertig zu werden. Das Problem sei ein Lieferengpass der Herstellerfirma. Die Wände, die die Bahn 2005 zwischen Obermenzing und Petershausen errichtet hatte, als die Trasse zur ICE-Strecke und damit zur Hauptverkehrsstrecke wurde, mussten erneuert werden, da einige Wände Risse bekommen hatten, erklärt ein Bahnsprecher auf Anfrage der SZ Dachau. Die Pfosten waren nicht stabil genug, sodass sich einige Wände bei jedem Zug, der mit hoher Geschwindigkeit vorbeifuhr, bewegt hatten. Dabei kam es eben zu diesen Schäden.

Die Hersteller sind ausgelastet

Nun sollten die Pfosten tiefer und fester in den Boden verankert werden, um das gesamte System zu stabilisieren. Gearbeitet werden konnte jedoch nur zu Zeiten, in denen die Strecke nicht so frequentiert ist. Die Bohrpfahlmaschine sei bereits dagewesen, die Pfosten sind nun fest installiert, so der Bahnsprecher. Die Wände, die die Bahn noch hatte, habe man auch schon eingesetzt. Bis auf einige wenige Lücken, für die die Elemente noch speziell zugeschnitten werden müssen, sei der Abschnitt zwischen Petershausen und Röhrmoos nun fertig. Der südlichere Teil der Trasse, wo allerdings viel mehr Anlieger wohnen, muss indes warten. Die Nachfrage nach Schallschutzwänden sei in den vergangenen Jahren eben sehr gestiegen: Denn nicht nur die Bahn braucht sie auf immer mehr Strecken, auch Autobahnen und Umgehungsstraßen werden inzwischen gut abgeschirmt. "Es gibt nur wenige Hersteller und die sind ausgelastet", sagt der Bahnsprecher. Nach neuesten Informationen des Herstellers sollen die Wände nun bis Mitte März geliefert werden.

Für das Einsetzen der Schallschutzelemente müssen die Gleise gesperrt werden. "Wir werden wahrscheinlich die kurzen nächtlichen Ruhezeiten etwas verlängern, um möglichst bald weiter machen zu können", so der Sprecher. Die ursprünglich geplanten Sperrzeiten mussten ungenutzt verstreichen. "In Karlsfeld sollen die fehlenden Wände bis Ende März fertig gestellt sein", so die Bahn.

Aber warum hat man nicht nach und nach die Wände ersetzt, statt die Anwohner ein Dreivierteljahr lang dem Lärm auszusetzen? "Wenn man mit einer Maschine die ganze Strecke abgeht, geht es viel schneller", erklärt der Bahnsprecher. Mit den Lieferschwierigkeiten habe man nicht gerechnet. Zum Trost der Anwohner kündigt er aber an, dass die Güterzüge künftig leiser werden würden, weil ein neues Bremssystem die Räder der Waggons nicht so aufraut. Damit höre dann das ohrenbetäubende Scheppern auf - zumindest weitgehend. Zwei Drittel der Züge seien bereits umgerüstet. Die übrigen sollen bald möglichst auf den neuesten Stand gebracht werden. Dann, im Jahr 2020, sollen die alten Bremssysteme verboten werden. Doch das ist erst in zwei Jahren und für die Anwohner wenig tröstlich.

© SZ vom 12.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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