Vortrag in Dachau:Rechtsextreme Umtriebe am Ort des Gedenkens

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Im Jahr 2001 beschmierten Unbekannte die Baracken. (Foto: Niels P. Joergensen)

Ulrich Unseld erläutert, wie die Gedenkstätte mit neonazistischen Aktionen und Verschwörungstheorien umgeht

Von Gregor Schiegl, Dachau

Der Diebstahl des schmiedeeisernen KZ-Tores mit der zynischen Aufschrift "Arbeit macht frei" brachte die Gedenkstätte Dachau international in die Schlagzeilen. Inzwischen wurde das Tor gefunden und zurückgebracht, die Täter sind aber bis heute nicht ermittelt. Drahtzieher könnten rechtsextreme Devotionaliensammler gewesen sein. Der Vortrag "Die KZ-Gedenkstätte Dachau im Fokus der Rechten", der am Freitag an der Gedenkstätte stattfindet, ruft diesen spektakulären Diebstahl sofort wieder in Erinnerung. Tatsächlich geht es Referent Ulrich Unseld gar nicht darum, das Bild einer besonderen aktuellen Gefährdungslage durch rechte Kräfte zu zeichnen, sondern Interessierten im Rahmen der "Internationalen Wochen gegen Rassismus 2017 in München" einen Gesamtüberblick zu geben, wie und wo sich die Mitarbeiter der Gedenkstätte über die Jahre hinweg immer wieder mit rechten Umtrieben konfrontiert sahen und wie sie damit im Alltag umgehen.

Seit der Gründung der KZ-Gedenkstätte Mitte der Sechzigerjahre gab es immer wieder neonazistische Aktionen und rechte Störer, etwa Hakenkreuzschmierereien im August 1960. Ziel der Angriffe waren auch wiederholt jüdische Gedenksteine auf dem Waldfriedhof und auf der Leiten. 2001 beschmierten Unbekannte die zwei rekonstruierten Häftlingsbaracken mit antisemitischen und antiamerikanischen Parolen: "Der Jud ist verantwortlich für die Moslem-Terroranschläge in den USA". Die Ermittlungen der Polizei liefen meist ins Leere. Nur 2007 wurden die Täter ausfindig gemacht: Eine Fotostrecke in der italienischen Wochenzeitung L'espresso zeigte drei glatzköpfige Männer, die mit Hitlergruß vor dem Krematoriumsgebäude, am Mahnmal und an der evangelischen Versöhnungskirche auf dem Gedenkstättengelände posierten. Sie waren Mitglieder der Skinhead-Sektion Tirol-Meran, die offenbar auch mit dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) in Verbindung stand, der in Deutschland mindestens zehn Menschen ermordet hat.

Eine offizielle Statistik über Vorfälle mit rechtsextremem Hintergrund an der Gedenkstätte Dachau gibt es nicht. "Das sind Einzelfälle, die immer mal wieder vorkommen", sagt Unseld. Er will das Problem nicht herunterspielen, aber doch in ein richtiges Verhältnis stellen: "Dachau ist die populärste Gedenkstätte Bayerns", sagt er. Jedes Jahr kommen einige Hunderttausend Besucher. Dass auch immer wieder welche darunter sind, die sich daneben benehmen oder des Geländes verwiesen werden, weil sie gegen andere Punkte der Besucherordnung verstoßen, zum Beispiel, weil sie Kleidung eindeutig rechtsextremer Marken tragen, ist angesichts der schieren Masse von Besuchern nicht verwunderlich, sondern statistisch erwartbar.

Ein verstärkte Aggression der Rechten gegen die Gedenkstätte Dachau kann Unseld nicht feststellen - weniger allerdings auch nicht. Die einzige Veränderung die er beobachtet, "aber das ist rein subjektiv", ist, dass die Gedenkstätte "keine große Rolle mehr für die Parteipolitik spielt". 2008 hatte die NPD vor den Landtagswahlen die Straßen an der Gedenkstätte mit Wahlplakaten gepflastert - eine Provokation und ein Affront, den die Stadt zum Anlass nahm, politische Werbung im Umfeld der Gedenkstätte generell zu untersagen.

Befassen müssen sich die Mitarbeiter der Gedenkstätte auch immer wieder mit Verschwörungstheorien und modernen Mythen, die offenkundig darauf abzielen die Verbrechen, die an den Häftlingen des Konzentrationslagers begangen wurden, zu relativieren oder ganz infrage zu stellen. Ein häufiges Klischee, auf das Unseld trifft, ist die Behauptung, die Krematorien seien erst nach dem Krieg 1945 gebaut worden und zwar von den Amerikanern. "Wenn wir das hören, klingeln bei uns die Alarmglocken", sagt Unseld. Nicht zwingend haben es die Guides mit eingefleischten Nazis zu tun. "Auch im Internet findet man inzwischen allerhand krude Informationen zur Gedenkstätte Dachau." Die Mitarbeiter sind darauf vorbereitet, zeigen datierte Dokumente und Baupläne. "Wir suchen die Auseinandersetzung auf der inhaltlichen Ebene."

Der Vortrag am Freitag, 17. März, beginnt um 14.30 Uhr und findet im Seminarraum der KZ-Gedenkstätte Dachau statt. Der Eintritt ist frei. Teilnahme nur nach vorheriger Anmeldung.

© SZ vom 17.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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