Theatergruppe Vierkirchen:Bauer sucht Frau

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Die Theatergruppe Vierkirchen zeigt zu ihrem 20-jährigen Bestehen Lena Christs "Madam Bäurin" in einer Freilichtvorstellung. Das Ergebnis ist ein beeindruckend opulentes Zeit- und Sittengemälde.

Von Dorothea Friedrich, Vierkirchen

Freilichttheater ist immer ein Wagnis. Das Wetter muss mitspielen, die Kulisse stimmen, die Auswahl des Stücks muss passen. Die Theatergruppe Vierkirchen folgte anlässlich ihres 20-jährigen Bestehens der Kalenderweisheit "Wer nicht wagt, der nicht gewinnt". Ein guter Entschluss, wie sich bei der Premiere von "Madam Bäurin" am Freitagabend zeigte. Denn die Dame gab sich auf dem Endres-Anwesen hinter dem Vierkirchener Rathaus bei sommerlichen Temperaturen die Ehre. Die wunderbare Lena Christ (1881 bis 1920) hat dieses Zeit- und Sittengemälde 1919 als Roman veröffentlicht. Josef Schoder hat daraus eine Mundartfassung für Volksbühnen gemacht, in der es vorwiegend lustig-derb zugeht. So schimmern nur ansatzweise die autobiografischen Versatzstücke aus Lena Christs tragischer Lebensgeschichte durch, etwa in der Person des Altbauern, der an ihren Glonner Großvater erinnert. Bei dem hatte Christ die glücklichsten Jahre ihres kurzen Lebens verbracht, bis die Mutter sie nach München zurückholte. Die Theatergruppe Vierkirchen hielt sich an die Schodersche Adaption und setzte auf alles, was es für gute Unterhaltung braucht: holzschnittartige Charaktere, viel Volk, starke Bilder und deftige Dialoge in schönstem Bairisch respektive überkandideltem Hochdeutsch.

Und darum geht es: Die dünkelhafte Rechtsratswitwe Scheuflein (hinreißend Maria Reischl) verlobt kurzerhand ihre naturnahe Tochter Rosalie (überzeugend Christina Bestle) mit dem ältlichen Assessor von Rödern (Wolfgang Herzberg). Das Bürgerstöchterlein würde sich wohl in sein Schicksal fügen, wäre da nicht die lebenskluge Tante Adele (liebenswert-direkt Daniela Römer). Sie ist so etwas wie eine Schicksalsgöttin und kann zudem dem pseudo-vornehmen Getue ihrer Habenichts-Schwägerin so gar nichts abgewinnen. Außerdem will sie unbedingt in die Sommerfrische auf den Schiermoser-Hof. Dort sind die "Stoderer" eigentlich nicht wirklich willkommen, aber die Bäuerin (fantastisch Jutta Scheidler) ist scharf auf den Zusatzverdienst und nimmt dafür allerlei Unbequemlichkeiten in Kauf. Die ewig Unzufriedene kommandiert im Generalston eine ganze Knechte- und Mägdeschar, ihren geduldigen Gatten (sympathisch und ein wenig hinterfotzig: Hans Zeiner), damit Haus und Hof sich von ihrer besten Seite präsentieren.

Lehrstück in Sachen Toleranz

Es kommt, wie es kommen muss: Jungbauer Franz (weiche Schale, harter Kern Martin Seitz), der mit seinen modernen Ideen bei seiner Bissgurkn von Mutter und der keifenden Großmutter (umwerfend Birgit Holzer) nicht landen kann, verliebt sich in Rosalie. Die ist nämlich für ihn, obwohl eine "Stadtchaise", das Idealbild einer Bauersfrau. Sie scheut keine Arbeit, packt überall mit an - und ist dazu noch durch und durch liebenswert. Doch das Möchtegern-Paar hat die Rechnung ohne die zwei rabiaten Mütter gemacht. Die bekämpfen sich und ihre Umgebung wort- und tatgewaltig, denn weder die hochnäsige Rechtsratswitwe noch die herrische Bäuerin sind mit der "Mesalliance" einverstanden. Dass der Machtkampf nicht zum Krieg der (Lebens-)Welten wird, sondern ein versöhnliches Ende findet, macht "Madam Bäurin", trotz oder vielleicht gerade wegen der vielen Volkstheater-Versatzstücke zu einem Lehrstück in Sachen Lernbereitschaft, Akzeptanz und Toleranz.

Daran haben die vielen Mitwirkenden auf und hinter der Bühne einen gehörigen Anteil. Rund zwanzig Darsteller tummeln sich auf der weitläufigen Wiese mit realem Bauernhaus und realer Kirche, mit echten Bäumen, Pferden und Hühnern. Wie viel Zeit und Arbeit die Theatergruppe investiert hat, um diese ohnehin schon stimmungsvolle Kulisse mit aufwendig bestückten Marktständen, unzähligen Gerätschaften aus vormaschinellen Zeiten, entsprechendem Mobiliar und Kostümen in ein echtes Traumtheater zu verwandeln, lässt sich nur erahnen. Zumal auch noch eigens gebaute Zuschauertribünen und Technik für den wahren Seh- und Hörgenuss - einschließlich Blasmusik - sorgten. Das verdient höchste Anerkennung, der die Zuschauer mit wahren Beifallsstürmen Ausdruck verliehen. Fazit: Das Wagnis Freilichttheater ist in Vierkirchen mit "Madam Bäurin" zur Erfolgsgeschichte geworden.

© SZ vom 11.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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