Verkehr:Ausgebremst

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Drei traditionsreiche Busbetreiber aus dem Landkreis müssen zum Dezember 2015 vier MVV-Linien abgeben. Ein Großunternehmen verdrängte sie vom Markt. SPD-Abgeordneter Martin Güll fragt nach den Gründen

Von Robert Stocker, Dachau

SPD-Landtagsabgeordneter und Kreisrat Martin Güll schlägt Alarm: Ein Großunternehmen außerhalb des Landkreises wird zum Fahrplanwechsel Dezember 2015 vier MVV-Buslinien übernehmen. Verlierer sind drei Traditionsunternehmen aus dem Landkreis, die mit dem günstigen Angebot des Großunternehmens nicht mithalten konnten. Güll sieht durch die neue Vergabe der Linien die Existenz der lokalen Anbieter und die Arbeitsplätze vieler Fahrer gefährdet. Dadurch werde die lokale Wirtschaft geschwächt. In einer Anfrage an das Landratsamt will der SPD-Kreisrat unter anderem wissen, ob bei der Vergabe nicht nur die Kosten, sondern auch Zuverlässigkeit und Qualitätsstandards berücksichtigt wurden. CSU-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Offenbeck sagte der SZ, dass sich der Landkreis bei solchen Ausschreibungen immer in einem "Dilemma" befinde. Das Landratsamt wollte sich am Montag noch nicht dazu äußern und verwies auf terminliche Gründe.

Im Juli wurden mehrere Buslinien im Landkreis für die Dauer von zehn Jahren neu ausgeschrieben. Die im Landkreis ansässigen Unternehmen Heigl, Simperl und Knab verloren die Linien 708, 727, 723 und 725. Auf diesen Linien sind täglich elf Busse unterwegs. Ein Busunternehmen bat den SPD-Abgeordneten um Unterstützung. Nach Angaben von Branchenkennern führt das Großunternehmen einen harten Verdrängungswettbewerb über den Preis, schreibt Güll in seiner Anfrage an das Landratsamt. Die aus dem Markt gedrängten lokalen Busunternehmen verlieren einen erheblichen Teil ihres Umsatzes. "Das trifft die Unternehmen sehr hart. Bei ihnen geht es ans Eingemachte", sagte Güll zur SZ. Nicht nur ihre Existenz und viele Arbeitsplätze seien gefährdet, sondern auch Gewerbesteuereinnahmen von Gemeinden. Die Vergabe an das Großunternehmen schwächt Güll zufolge die lokale Wirtschaft. "Das ist auch eine Frage der Wirtschaftsförderung. Der Landkreis müsste zugunsten der örtlichen Unternehmen eingreifen." Der Abgeordnete hält es für problematisch, dass die Linien nicht wie bisher in einem Direktverfahren, sondern in einem offenen Verfahren vergeben wurden. Das offene Verfahren sei ein reiner Preiswettbewerb. Demnach spielen die Betriebskosten mit 75 Prozent die größte Rolle. Die Einsatzzeit für Ersatzfahrzeuge zählt nur zu fünf Prozent, die Fahrzeugqualität und neue Fahrzeuge zu jeweils zehn Prozent. Aus diesem Grund fordert Güll eine Evaluierung, die die Qualität des Linienverkehrs überwacht. Nur eine zuverlässige Kontrolle könne sicherstellen, dass die Busbetreiber über die gesamte Vergabezeit die zugesagten Standards einhalten.

Der SPD-Abgeordnete will in seiner Anfrage an das Landratsamt wissen, welchen Einfluss der Landkreis bei der Neuvergabe von Buslinien hat. Außerdem stellt Güll die Frage, warum die Ausschreibung im offenen Verfahren und nicht im Direktverfahren gelaufen ist, die laut EU-Verordnung möglich sei. "Rechtfertigen mögliche Kostenvorteile den eventuellen Verlust von regional verankerten Traditionsunternehmen?" Zudem will er noch wissen, ob die Zuverlässigkeit des Unternehmens und die Nähe zum Einsatzort bei der Vergabe berücksichtigt wurden.

Das Landratsamt wollte am Montag zu diesen Fragen noch nicht Stellung nehmen. "Das könnte ich aus dem Stegreif beantworten, bedarf aber noch einer Abstimmung mit dem Landrat", sagte Sachgebietsleiter Albert Herbst. "Solche Ausschreibungen haben immer ein Dilemma", sagte CSU-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Offenbeck. "Derjenige, der das günstigste Angebot abgibt, muss nicht immer der Beste sein." Der Landkreis müsse wirtschaftlich mit seinem Geld umgehen, aber auch die Ausführung der Aufgabe berücksichtigen. "Es ist nicht so, dass der Billigste mit einem Schrottangebot genommen wird." Das offene Verfahren ermögliche Transparenz. "Wenn Jahrzehnte lang immer dieselben Unternehmen die Linien erhalten, fragen sich vielleicht einige, ob da jemand bevorzugt wird."

© SZ vom 21.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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