SZ-Serie: "Ehrenamtliches Engagement", Folge 11:Komplimente und Umarmungen

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Christina Rothammer kümmert sich seit vier Jahren um Behinderte. Und bekommt viel von ihnen zurück

Von Andreas Förster, Markt Indersdorf

Den Anstoß für ihr Engagement hat Christina Rothammer am Ende eines Au-pair-Aufenthalts in Irland vor vier Jahren bekommen. Damals spürte sie: "Nur zu arbeiten und Geld zu verdienen, reicht mir irgendwie nicht." Die gelernte Kauffrau für Bürokommunikation machte sich auf die Suche nach einer gemeinnützigen Nebentätigkeit. Aber: "Ich hatte keine Ahnung, was zu mir passt." Sie nahm mit unterschiedlichen Wohltätigkeitsorganisationen im Raum Dachau Kontakt auf und wurde schließlich von der Caritas eingeladen, in der Kontaktstelle für Menschen mit Behinderung mitzuhelfen.

Die Angestellte eines Medienunternehmens hatte bis dahin noch nie näheren Kontakt zu Menschen mit geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen und war deshalb zunächst skeptisch. "Passt das auch zu mir?", fragte sie sich. Sie wollte es dennoch ausprobieren und absolvierte einen Schnuppertag im Montags-Club für behinderte Erwachsene in Markt Indersdorf, nicht weit von ihrem Wohnort entfernt. Sie wurde mit offenen Armen empfangen.

"Die anfängliche Skepsis hat sich dann recht schnell gewandelt", sagt Christina Rothammer. "Es dauerte nicht lange, da hatte ich die Menschen dort lieb gewonnen." Seit vier Jahren trifft sie sich nun, gemeinsam mit einer weiteren Ehrenamtlichen und einer hauptamtlichen Mitarbeiterin, für zwei Stunden in der Woche mit einer zehnköpfigen Gruppe von Menschen mit unterschiedlichen Handicaps.

Christina Rothammer arbeitet in ihrem Brotberuf als Angestellte. Ein Teil ihrer Freizeit verbringt sie mit behinderten Kindern. (Foto: privat)

Lockere Freizeitaktivitäten stehen dabei im Vordergrund: Kreatives, auf die Jahreszeiten oder kirchlichen Feste abgestimmtes Arbeiten, gemeinsam Kochen, Sport treiben, Spazierengehen, Filme schauen und - Verreisen. Jedes Jahr veranstaltet die Kontaktstelle für Menschen mit Behinderung mehrere Urlaubsfahrten. So war Christina Rothammer mit der Gruppe schon in Passau, Schottland und auf Mallorca. Eine besondere Qualifikation braucht sie für all das nicht. "Das Wichtigste ist, dass man mit dem Herzen dabei ist und die Aufgabe ernst nimmt", sagt die 24-Jährige. So eine Reisewoche sei deshalb auch nicht reine Erholung, sondern eine verantwortungsvolle und nicht selten anstrengende Aufgabe.

"Wir helfen bei den unterschiedlichsten Bedürfnissen, von der Morgenhygiene übers Essen bis zum Schlafengehen." Ein Fulltime-Job von früh bis spät. Trotzdem mache es Spaß, denn man habe zusammen auch eine Riesengaudi. "Und es kommt viel zurück", betont sie. "Ehrliche Wertschätzung, nette Komplimente, spontane Umarmungen." Dinge, die sie im normalen Alltag häufig vermisst.

Abschalten, den Alltag hinter sich lassen und sich auf Neues einlassen, das ist ein großes Bedürfnis im Leben von Christina Rothammer. So hat die 24-Jährige im Frühjahr ihren Jahresurlaub in einen Marsch auf dem Jakobsweg investiert. Sechs Wochen war sie unterwegs, unter anderem, wie sie sagt, "um den Kopf mal wieder freizubekommen." Für die etwa 800 Kilometer von Pamplona kurz hinter den Pyrenäen bis nach Santiago de Compostela brauchte sie 28 Tage. "Ich hätte auch gerne die Berge überquert, aber eine noch nicht ganz ausgeheilte Verletzung an der Achillessehne hat das nicht zugelassen", bedauert sie.

Eine ganz wichtige Erfahrung hat sie trotzdem gemacht: "Man kann alles schaffen: Große Herausforderungen mobilisieren große Kraftreserven. Trotzdem darf man sich auch Hilfe holen, das ist kein Zeichen der Schwäche." Es schafft Nähe.

So wurde sie Teil der Camino-Familie, also all derer, die sich auf der Camino genannten Strecke begegnen oder einen Teil des Weges gemeinsam pilgern und dadurch verbunden sind. Das gebe ihr wieder Kraft und Motivation für ihr Ehrenamt. Denn auch hier gehe es ja letztlich um Beziehungen.

© SZ vom 12.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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