Startbahngegner:Jetzt erst recht

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Das Startbahn-Urteil enttäuscht die Gegner des Flughafenausbaus. Doch geben sie sich keineswegs geschlagen. Die Initiative Aufgemuckt kündigt einen "heißen Herbst für die Staatsregierung" an. Man will dran bleiben und Widerstand leisten

Von Gregor Schiegl, Dachau

Juristisch ist der Streit um den Flughafenausbau seit Dienstag entschieden, endgültig. Geschlagen geben sich die Startbahngegner im Landkreis aber noch lange nicht. "Der politische Widerstand hat nicht aufgehört", sagt der Kreisvorsitzende des Bundes Naturschutz, Roderich Zauscher. "Wir werden alles Menschenmögliche tun, um diesen Unsinn zu stoppen." Neben Anwohnern hatte auch der Bund Naturschutz geklagt, er ist nun in der letzten Instanz gescheitert. Für den Fall, dass die Startbahn gebaut werden sollte, kündigt Zauscher trotzdem "massiven Widerstand" an.

Anton Speierl, Sprecher des Aktionsbündnisses Aufgemuckt in Dachau, findet die Entscheidung des Gerichts enttäuschend - auch wenn sie erwartbar gewesen sei. Derselbe Richter habe erst tags zuvor Klagen gegen die Erweiterung des Flughafens in Memmingen abgewiesen. "Das ist ein Zeichen, dass die Gerichte für Großprojekte sind." Speierl nennt es hanebüchen, dass immer noch von einem Bedarf für eine dritten Startbahn die Rede sei. Die Prognosen aus dem Jahr 2004 über einen massiven Zuwachs an Flugbewegungen, auf die sich auch das Planfeststellungsverfahren stützt, haben der juristischen Prüfung zwar standgehalten, von der Wirklichkeit sind sie laut Speierl aber längst widerlegt. Gegenüber dem Jahr 2004 habe die Zahl der Flugbewegungen gerade mal um 1,1 Prozent zugenommen.

"Weiter anheizen geht nicht." Landrat Stefan Löwl sieht die Infrastruktur am Limit. (Foto: Toni Heigl)

Die Initiative Aufgemuckt, die sich schon vor mehr als zehn Jahren gegen den geplanten Flughafenausbau landkreisübergreifend zusammengeschlossen hat, plant nun eine Reihe öffentlichkeitswirksamer Aktionen. "Das wird ein heißer Herbst für die Staatsregierung", verspricht Speierl. "Es ist wichtig, dass wir dranbleiben und Widerstand leisten. Dass wir zeigen: Wir geben nicht auf!"

Das Signal ist nicht nur an den Freistaat Bayern gerichtet, der 51 Prozent an der Flughafengesellschaft hält, sondern auch an den kleineren Teilhaber, die Stadt München. Ohne deren Zustimmung kann der Flughafen nicht erweitert werden. 2012 hat sich in der Landeshauptstadt die Mehrheit der Wähler in einem Bürgerentscheid gegen der Bau der Startbahn ausgesprochen. Auch wenn die rechtliche Bindewirkung seit zwei Jahren erloschen ist, hat Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) bisher immer erklärt, dass dieses Votum für ihn über den Tag hinaus Bestand habe.

"Man muss jetzt sehr aufpassen, dass in München nicht etwas durch die Hintertür aufgehebelt wird", warnt Naturschützer Roderich Zauscher. Sein Misstrauen gilt weniger Münchens OB als der Staatsregierung. Zauscher befürchtet, sie könnte versuchen, die Spielregeln durch eine Novelle des Gesellschaftsrechts zu ändern. Der Dachauer SPD-Landtagsabgeordnete Martin Güll hält diese Sorge für durchaus berechtigt: "Söder und Co werden zeitnah aktiv werden. Ich habe immer davor gewarnt: Der Kampf ist noch nicht gewonnen." Aber der Bürgerentscheid bleibt die Trumpfkarte der Startbahngegner. "Solange München dazu steht, passiert nichts", sagt Güll.

"Wir geben nicht auf!" Anton Speierl vom Aktionsbündnis Aufgemuckt in Dachau. (Foto: Toni Heigl)

Das sieht sein CSU-Kollege Bernhard Seidenath ähnlich. "Die Schlüsselrolle hat die Stadt München." Und das heißt: "Der Bau der dritten Startbahn ist aktuell politisch nicht möglich." Und je mehr Zeit verstreiche, desto unwahrscheinlicher werde der Bau der dritten Startbahn. Das sieht man bei den Aktivisten von Aufgemuckt genauso. "Es wird jetzt so schnell nichts passieren", sagt Anton Speierl. "So gesehen sind wir in einer komfortablen Lage."

Einige Startbahngegner befürchten, die Regierung könne versuchen, das Münchner Votum mit einer Volksabstimmung auf Landesebene quasi zu neutralisieren. Der Dachauer CSU-Abgeordnete Anton Kreitmair glaubt nicht an so ein Szenario. Und er wünscht es sich auch nicht, weil die Mehrheitsverhältnisse jenseits Münchens eben doch nicht so klar sind. "Ich glaube, dann würde der Flughafen gebaut." Kreitmair, der auch oberbayerischer Bezirkspräsident der Bauern ist, zählt sich wie Seidenath zu den Startbahngegnern. Nach wie vor bilden sie aber eine Minderheit in der CSU-Fraktion. Gelegentlich bekommt Kreitmair das auch zu spüren. "Von manchen wird mein Verhalten nicht verstanden."

Warnt vor politischen Tricksereien: Roderich Zauscher vom Bund Naturschutz. (Foto: npj)

Im Landkreis Dachau ist das Nein zur dritten Startbahn weitgehend Konsens. Vor einigen Jahren hat der Kreistag einstimmig beschlossen, den Flughafenausbau abzulehnen, wenn er zu weiteren Belastungen des Landkreises führe - wovon alle ausgehen. "Der Flughafen hat uns wichtige Impulse und Chancen gegeben", sagt Landrat Stefan Löwl (CSU). "Aber wir müssen feststellen, dass die Entwicklung extrem angezogen hat." Die Bürger seien nicht nur durch Fluglärm belastet, es gebe auch massive Probleme auf dem Boden: überlastete Straßen, ein Wohnungsmarkt mit Preisen, die sich viele nicht mehr leisten könnten, ein Nahverkehrssystem, das die Pendler nicht mehr aufnehmen könne. Und dann noch eine dritte Startbahn? "Weiter anheizen geht nicht", sagt Löwl.

Interessenkonflikte zwischen Flughafen und Anrainerkommunen gibt es, seitdem es den Flughafen gibt. Um solche Probleme zu besprechen und zu lösen, gibt es den Nachbarschaftsbeirat Flughafen München, eine Dialog- und Diskussionsplattform zwischen dem Münchner Flughafen und der Flughafenregion. Aus dem Landkreis Dachau ist dort bis heute aber nur die Gemeinde Haimhausen beteiligt. "Auch darauf werden wir nachdrücklich hinweisen", sagt Landrat Löwl. Bislang hat sich der Landkreis weitgehend mit der Rolle des unbeteiligten Zuschauers begnügt - der Rolle, die ihm die Flughafengesellschaft auf den Leib geschrieben hat. Mit der Gefügigkeit scheint es vorbei zu sein. Jetzt beginnt die politische Auseinandersetzung erst richtig.

© SZ vom 16.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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