Singen in Tracht:Aus voller Kehle

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Mit Witz und viel Energie leitete Ernst Schusser die zahlreichen Freunde der Volksmusik durch das gesellige Wirtshaussingen D'lustigen Glonntaler. Mal schmetterten die Gäste alte Weisen, mal Hitparadensongs

Von Sonja Siegmund, Markt Indersdorf

Ältere Menschen werden sich gut daran erinnern können: In der Nachkriegszeit, als die Unterhaltungselektronik noch sehr eingeschränkt war, ging man abends am Wochenende oder zuweilen auch werktags ins Wirtshaus um miteinander zu reden, Bier zu trinken und Karten zu spielen. Dabei wurde auch gern ein Lied angestimmt, so dass sich spontan fröhliche Singrunden zusammen fanden. Gesungen wurden nicht nur Volkslieder, sondern auch neue Schlager, Oldies und Gassenhauer.

Ernst Schusser begleitet von Claudia Harlacher begeistert die Volksmusikfreunde, die inbrünstig mitsingen. (Foto: Toni Heigl)

Diese Art des früheren Wirtshaussingens erfreut sich seit einigen Jahren wieder steigender Beliebtheit. Im Vordergrund stehen noch immer die Freude an Musik und Gesang in geselliger Runde. In Markt Indersdorf ist es dem Trachtenverein D'lustigen Glonntaler zu verdanken, dass diese Tradition fortgesetzt wird. Zum fünften Mal haben die Glonner Trachtler am Donnerstag zu einem "Geselligen Wirtshaussingen" in ihr traditionsreiches Vereinsgasthaus Hohenester eingeladen. Wie beliebt diese Singabende mittlerweile geworden sind, war an dem restlos überfüllten Wirtssaal im ersten Obergeschoss zu sehen. Eng zusammenrücken mussten die größtenteils älteren Besucher in ihrer festlichen Tracht, was der Sangesfreude aber keinen Abbruch tat.

Für die Freunde der Volksmusik steht die Freude an Musik und Gesang in geselliger Runde im Vordergrund. (Foto: Toni Heigl)

Dass es an diesem Abend wieder richtig schwungvoll zuging und dass jeder, der aus voller Kehle mitsingenden Gäste seinen Spaß hatte, war einmal mehr Ernst Schusser mit seiner Ziehharmonika zu verdanken. Mit viel Witz und noch mehr Energie füllte das stimmgewaltige Urgestein den großen Wirtssaal, unterstützt von Claudia Harlacher an der Geige. Zuvor hatten Schusser und Eva Bruckner, die seit vielen Jahren dem Volksmusikarchiv (VMA) Oberbayern vorstehen, zahlreiche Liederhefte zum Mitsingen verteilt: "Vorsichtshalber ohne Noten, dass a Jeda singa ko wie er will", erklärte Schusser. So wünschte denn auch Andreas Hillreiner von den Glonner Trachtlern: "Viel Freid bei unsra kloana Wiesn, mit dem Unterschied, dass mia ja selba singa."

Zum Singen der bayerischen Volkslieder kamen zahlreiche Besucher ins Wirtshaus nach Markt Indersdorf. (Foto: Toni Heigl)

Schon beim ersten der insgesamt 26 Volkslieder hatte Schusser die mehr als hundert Mitsänger auf seiner Seite. Denn wer würde bei "A Hiatamadl mag i net" nicht mitsingen können, einem durch den österreichischen Liedermacher Hubert von Goisern bekannt gewordenen Hitparade-Song. Gesungen wurde beim Hohenester-Wirt allerdings die alte Tanzweise, bei der zum Refrain lautstark auf den Tisch geklopft beziehungsweise geklatscht wurde, wie es bereits um 1890 in Oberbayern üblich gewesen sei, so Schusser.

Nicht allein zu diesem Volkslied wusste der Leiter des oberbayerischen Volksmusikarchivs historische oder spaßige Details zu erzählen. In diesem Zusammenhang berichtete er auch über die melancholisch klingende Volksweise "Auf den Bergen wohnt die Freiheit", in dem das Schicksal König Ludwigs II. bedauert wird. In Altbayern sei dieses politisch motivierte "Neuschwansteinlied" schon kurz nach dessen Tod 1886 auf eine populäre Melodie gesungen worden. Erinnerungen an die "guade oide Zeit" dürften auch wachgerufen worden sein beim damals beliebten Kärntnerlied "Bei da Lindn bin i gsessn". Zu dem von 1840 überlieferten "Gamserllied" fiel sogar einigen der Text für die vierte Strophe ein. In den wohlverdienten Gesangspausen blieb Zeit um miteinander ins Gespräch zu kommen oder alte Erinnerungen wachzurufen. Als Ohrwurm für Freunde echter Volksmusik erwies sich das bereits um 1780 dokumentierte Lied "Drunt in da greana Au". Ein Gaudium der besonderen Art war das im Dachauer Hinterland um 1900 gern gesungene Couplet, mit dem Refrain "Ja, ja, ja, ja, hat's an Schwoaf, hat's an Schwoaf". Als fünfte Strophe sangen die Wirtshaussänger noch den Originaltext "Du, du, liegst mir im Herzen. . ." Nicht weniger Spaß hatte die Sangesrunde bei dem nicht jugendfreien "Saubärnlied", in dem zum Refrain lautstarke Grunzlaute nachgeahmt werden durften. Als sich die fleißigen Sänger zu später Stunde auf den Heimweg machten, dürfte der eine oder andere Wirtshausschlager noch einmal zur Erheiterung nachgeklungen haben.

© SZ vom 26.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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