Schlosskonzert in Dachau:Virtuose Geigen

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"NeoBarock" mixt barocke und moderne Spielweise

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

"Barockmusik ist doch etwas Langweiliges", behauptete der bekannte Schriftsteller Herbert Rosendorfer. Das bezog sich wohl auf das historisierende Musizieren, also das Bemühen, so zu spielen wie man es in barocker Zeit vermutlich getan hat. Mit dieser eher musealen Einstellung wird man der historischen Musik wohl kaum gerecht, denn man kann einen Konzertbesucher unserer Zeit kaum berühren oder gar mitreißen. Das Ensemble NeoBarock, das jetzt mit seinem Auftritt bei den Dachauer Schlosskonzerten sein Publikum zum Staunen und zu begeisterter Zustimmung brachte, kann es trotzdem.

Was ist das Geheimnis von NeoBarock? "Wir können und wollen längst vergangene Epochen nicht kopieren. Unsere Forschungen, das ,Quellenstudium' und auch unsere Barockinstrumente sind kein Selbstzweck, sie sind unsere Werkzeuge." Und so verspricht das Ensemble "ein außergewöhnliches, faszinierendes Klangerlebnis, das die Alte Musik unmittelbar ins Hier und Jetzt transportiert".

Schon das erste Stück des Programms, eine Partita für zwei Violinen und Basso continuo von Heinrich Ignaz Franz Biber zeigt die Größe und Spannweite der Musik an einem Fürstenhof in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Der erste Satz ruht auf einem schier unendlich lang ausgehaltenen Basston des Violoncellos. Darüber entfalten die beiden Geigen ein unerhört lebendiges, abwechslungsreiches, teils außerordentlich virtuoses, teils lyrisch gestimmtes, gesangliches Musizieren in herrlichen Kantilenen. Der Celloton scheint kein Ende nehmen zu wollen, das musikalische Treiben der Geigen darüber ist beglückend, grenzt ans Atemberaubende.

Weitere Sätze dieser Partita halten sich im Wesentlichen an die Satzfolge der barocken Suite, also etwa Allemande, Courante, Menuett (hier war es eine Gavotte). Der abschließende Satz ist eine Ciacona (Chaconne) mit Ostinato im Dreiertakt als Basso continuo. Über dieses jeweils vier Takte umspannende Bassmotiv entfalten die Geigen wieder in der glänzenden Spieltechnik des barocken Musizierens großen Reichtum an Variationen. Ariane Spiegel spielt ihr Violoncello mit einem barocken Bogen, die hervorragenden Violinisten Volker Müller und Maren Ries nutzen moderne Bögen mit moderner Führung. Ihre Geigen sind mit Darmsaiten bespannt. So klang das Ganze nicht etwa gekünstelt oder gewollt historisch, sondern als mitreißende Musik. Und von den Zuhörern wird nicht verlangt, sich in eine längst fremd gewordene Zeit zurückzuversetzen. So gelingt es "NeoBarock" die 100 bis 200 Jahre ältere österreichische Musik eines Heinrich Ignaz Franz Biber und Johann Heinrich Schmelzer wie auch die erstaunlich ansprechende Musik der noch weniger bekannten bayerischen Musiker Rupert Ignaz Mayr und Johann Kaspar Kerll zum Musikgenuss werden zu lassen. Selbst die typisch barocke Variationsform der Passacaglia wurde in der Darbietung durch den Cembalisten Stanislav Cres lebendig.

Als Zugabe spielte das Ensemble "NeoBarock" den sehr beliebten zweiten Satz aus dem Konzert d-Moll für zwei Violinen und Orchester von Johann Sebastian Bach als Kammermusik. Da wird deutlich, wie unerhört differenziert und mit welcher Delikatesse "NeoBarock" musiziert. Die historische Aufführungspraxis hat ihre Verdienste; wenn sie aber aus "leidenschaftlicher Begeisterung gepaart mit wissenschaftlicher Akribie", wie von dem Ensemble "NeoBarock" versprochen, ist sie noch besser aufgehoben.

© SZ vom 23.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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