Schlichterin bei Schulkonflikten:Die Problemlöserin

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In alle Krisen ist Sozialpädagogin Sabine Decker Ansprechpartnerin für Schüler, Eltern und Lehrerteam. (Foto: Niels P. Joergensen)

Sabine Decker kümmert sich an den Grundschulen Dachau Ost und Augustenfeld um die Sorgen und Nöte von Kindern. Auch Eltern holen sich bei der Sozialpädagogin Rat. Die Lehrer sprechen von einer großen Entlastung

Von Petra Schafflik, Dachau

In der großen Pause hat es auf dem Schulhof einen Streit gegeben. Nun beklagt sich einer der Kontrahenten bei seiner Lehrerin. "Bisher konnten wir solche Konflikte nur schnell zwischen Tür und Angel regeln", sagt Andrea Noha, stellvertretende Schulleiterin der Grundschule Ost. Den Lehrkräften fehlte die Zeit für ausführliche Ursachenforschung. "Schließlich müssen wir ständig die ganze Klasse im Auge behalten." Seit im Februar Sozialpädagogin Sabine Decker ihre Arbeit an der Schule aufgenommen hat, ist das anders. Jetzt können Streitigkeiten sofort in aller Ruhe besprochen werden. "Ich nehme mir Zeit, solche Konflikte wirklich beizulegen", betont Decker, die je zur Hälfte an den Grundschulen Ost und Augustenfeld tätig ist. Die Sozialpädagogin kümmert sich um mehr als Schulhofgeplänkel. Sie ist Ansprechpartnerin für Schüler, Eltern und Lehrerteam bei allen Krisen, Sorgen und schwierigen Situationen. Die Schulen profitieren: "Eine totale Erleichterung", betont Konrektorin Noha. Die erhoffte Entlastung sei tatsächlich eingetreten, bestätigt auch Helga Schiller, Schulleiterin in Augustenfeld. "Die Unterstützung funktioniert wirklich sehr gut."

Lange haben Schulleiterinnen und Eltern dafür gekämpft, dass an den Dachauer Grundschulen Schulsozialarbeiter tätig werden sollen. Nach langem Ringen um Zuständigkeiten und die Finanzierung wurde Jugendsozialarbeit schließlich für die Schulen in Augustenfeld und Ost genehmigt. An diesen beiden Schulen ist laut dem Sozialbericht des Landkreises der Unterstützungsbedarf am größten. Weil hier viele Familien leben, die mit schwierigen Lebensbedingungen zurechtkommen müssen. Auch betreuen beide Schulen viele Mädchen und Buben mit ausländischen Wurzeln, etwa jedes zweite Kind hat einen Migrationshintergrund. Genau deshalb schätzen Rektorinnen und Lehrerteams die Unterstützung durch Sozialpädagogin Decker, die für die Arbeiterwohlfahrt als Trägerin die Jugendsozialarbeit an den Schulen leistet. "Eine wichtige Ansprechpartnerin auch bei der Einschätzung von schwierigen Schülern oder Problemsituationen", betont Noha. Das Lehrerteam schätzt den fachlichen Rat, "denn wir sind nun mal keine Sozialpädagogen". Rektorin Schiller bestätigt den positiven Effekt auch an ihrer Schule Augustenfeld.

Damit beide Bildungseinrichtungen gut versorgt sind, pendelt die Jugendsozialarbeiterin täglich hin und her, ist an jeder Schule für einige Stunden präsent und in Krisensituationen immer zur Stelle. Auch Eltern und Kinder haben die neue Gesprächspartnerin schätzen gelernt. "Mütter, Väter und Kinder kommen, fragen um Rat oder suchen Unterstützung", erzählt Decker. Die Sozialpädagogin, die vor ihrem Einsatz an den Grundschulen acht Jahre lang an der Thoma-Mittelschule tätig war, kümmert sich um kleine Sorgen wie tiefgreifende Krisen. "Es geht um Vorfälle in der Schule, um Lernprobleme oder um Konflikte im Elternhaus." Schüler wenden sich an die Jugendsozialarbeiterin, wenn sie sich in ihrer Klasse als Außenseiter gemobbt fühlen oder wenn sie zwischen den Fronten stehen, weil sich die Eltern gerade trennen. Decker bietet vertrauliche Gespräche an, vermittelt weiter an Beratungsstellen, kooperiert mit dem sonderpädagogischen Dienst, der an der inklusiven Schule Ost tätig ist. Entscheidend für ein vertrauensvolles Gesprächsklima sei auch, "dass ich keine Lehrerin bin, die Noten gibt."

Jugendsozialarbeit gab es im Landkreis lange nur an Mittel- und Berufsschulen. Doch die ersten Wochen zeigen, dass gerade die jüngeren Grundschüler mit ihren Familien enorm profitieren. "Schwierigkeiten werden viel früher abgefangen", betont Sozialpädagogin Decker. Auch weil jüngere Schüler "zugänglicher sind, besser erreicht werden können als später in der Pubertät", so Rektorin Schiller.

Wenn Grundschulen nun pädagogische Unterstützung durch Sozialpädagogen benötigen, liegt das an gesellschaftlichen Entwicklungen, betont Konrektorin Noha. Familien stünden enorm unter Druck, beide Elternteile müssten arbeiten, oft Vollzeit, Kinder sollen von morgens bis abends in Schule und anschließender Betreuung zurechtkommen. Bei Familien, die in den Landkreis zugezogen sind, fehle in Notfällen zudem die Unterstützung des sozialen Umfelds, von Großeltern oder anderen Verwandten. "Den Eltern darf man keinen Vorwurf machen", beteuert Noah. Vielmehr brauche es Unterstützungsangebote - wie eben die Jugendsozialarbeit, die an den Schulen Ost und Augustenfeld schon nach wenigen Monaten vollkommen ausgelastet ist. "Der Bedarf wäre noch höher", sagt Decker.

© SZ vom 18.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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