Röhrmoos:Sagen von Räubern und Hexen

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Der Vorleseabend mit Helmut Rumrich und Erich Müller im großen Sitzungssaal hätte mehr Zuhörer verdient gehabt. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Zur Lesung mit viel Lokalkolorit kommen nur etwa 30 Besucher in den Röhrmooser Sitzungssaal

Von Sonja Siegmund, Röhrmoos

Geschichten zu hören beflügelt die Fantasie. Denn im Gegensatz zu Film und Fernsehen, die die Bilder vorgeben, lässt das Erzählen und Vorlesen der Vorstellungskraft viel Raum. Diese wunderbare Erfahrung durften auch die leider nur wenigen Besucher am Samstagabend im Röhrmooser Rathaus erleben. Zu den bundesweiten Vorlesetagen hatte der Kulturkreis gemeinsam mit dem Franziskuswerk Schönbrunn und der Gemeindeverwaltung eine Lesung im großen Sitzungssaal veranstaltet.

Als Vorleser konnten die Organisatoren zwei alteingesessene Röhrmooser gewinnen: Erich Müller, bekannt als Sprecher und Tanzmeister, sowie Helmuth Rumrich, Hauptschullehrer im Ruhestand. In seinem Grußwort betonte Bürgermeister Dieter Kugler, wie wichtig Lesen und Vorlesen für die Entwicklung und Bildung von Kindern seien. Als Kostprobe gab er vorab eine humorvolle Kurzgeschichte von Helmut Zöpfl zum Besten. Begleitet wurde die Lesung von der Inzemooser Saitenmusik (Hackbrett, Geige, Gitarre, Zither) unter Leitung von Toni Schinner. Die alpenländischen Walzer, Polkas und Landler waren eine gute Ergänzung zur hintergründigen, meist humorvollen Textauswahl von Müller und Rumrich. Mit ausdrucksstarken Stimmen und Liebe zum Dialekt nahmen die Vorleser die etwa 30 Zuhörer mit auf eine Zeitreise.

Die Texte, die Erich Müller ausgesucht hatte, reichten von der Bauernsatire "Agricola", die Ludwig Thoma während seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt in Dachau 1894 bis 1897 schrieb, bis hin zu mehr oder weniger deftigen Kurzgeschichten aus dem bäuerlichen Alltag von Georg Queri (1879 bis 1919). Bei Thoma werden die Bajuwaren als wehrhaftes Stammesvolk beschrieben, das irdene Krüge mit Henkeln als Trinkgefäße für braunen Saft aus Gerste und Hopfen benützt, aber auch als Wurfgeschosse im Kampf gegen feindliche Volksgenossen. Mit Wirtshausgeschichten, Kirtafesten und Beichtgeheimnissen hat sich der bayerische Heimatdichter und Schriftsteller Georg Queri mehrfach auseinandergesetzt. Da wird beim Oberen Wirt temperamentvoll mit Maßkrügen "dischkriert" oder es werden speziell präparierte Kirtanudeln für den Herrn Bezirksamtmann serviert. Vor dem Auge des Zuhörers stellt sich die Szene ein, wie der ehrenwerte Egidius Pfanzelter zu Polykarpszell anstatt Geldmünzen lieber Hosenknöpfe in den Opferstock spendet. Dafür beichtet der Ehrenmann dann aber "liaba z'Minga, wo de Pfarrer net gar so neigierig san". Man sieht förmlich den "notign Schullehrersgsell in der guadn oidn Zeit"", der immer gerne die fetten Schmalznudeln, Eier und "a Ganserl" gegen bessere Zeugnisnoten annimmt. Dafür sieht der Bauersmann auf den Schullehrer doch wieder verächtlich herunter, denn "a Söller fressed eam arm". Und dann wäre da noch die Anekdote von der Doktorbäuerin in Mariabrunn, die ihre ganz eigene Art der Diagnose aus speziell abgefüllten Flascherln hatte.

Weniger amüsant war die Lebensgeschichte des Mathias Kneißl (1875 bis 1902) anzuhören, die Helmuth Rumrich als Einstieg in die Sagen und Erzählungen aus den Röhrmooser Heimatblättern nutzte. Bis heute erzählt man sich in der Gemeinde die Geschichte, dass eine Magd (übrigens die Urgroßmutter von Erich Müller) im Wald von Sigmertshausen den Kneißl Hias getroffen habe, der die ängstliche Dirn durch das Holz begleitete, ohne dass diese ihn erkannte. Eine Legende handelt von dem inzwischen abgerissenen Gasthaus Hagn, in dem die alten Wirtsleute "umgehen" sollen. Da sieht man, wie selbstverständlich die schneidigen Burschen aus der Wirtstube flüchten, während die alten Röhrmooser Bierdimpfl, die sich an den Krach in der Geisterstunde längst gewöhnt haben, weitertrinken.

Eine andere Sage befasst sich mit den Druden oder Stallhexen, die nachts die Kühe verhexen, so dass die Milch blau wird. Zuweilen sei eine Drud' bis ins Schlafzimmer vorgedrungen und habe die Menschen im Bett gedrückt und gequält, bis man vor Atemnot und Schreck aufwachte.

Eine weitere, diesmal wahre Geschichte beschreibt, wie das "Bengalische Licht", ein pyrotechnischer Effekt, für viel Überraschung und noch mehr Rauchschwaden sorgte, was bei der Auferstehungsfeier an Ostern 1910 zu panikartigen Szenen in der Kirche von Großinzemoos führte - und viele Lacher im Publikum zur Folge hatte.

In seinem Schlusswort verwies der Röhrmooser Kulturkreis-Vorsitzender Michael Wockenfuß auf weitere Vorlese-Aktionen im Kindergarten, im Franziskuswerk Schönbrunn und in der Grundschule.

© SZ vom 15.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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