Röhrmoos:Ringen um günstigen Wohnraum

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Immer mehr Mandatsträger im Landkreis suchen nach Lösungen, damit normal verdienende Familien nicht wegziehen müssen. Außerdem bietet der Freistaat seit Kurzem ein Modell, das eigens auf Kommunen zugeschnitten ist

Von Wolfgang Eitler, Röhrmoos

Der Gemeinderat Schwabhausen hat auf einer Klausurtagung am vergangenen Wochenende über die Chance beraten, wie die Gemeinde zu Grundstücken für den sozialen Wohnungsbau gelangen kann. Petershausen hat bereits ein Modell, das ähnlich wie in Hebertshausen darauf abzielt, Bauland zu erschwinglichen Preisen zu erwerben. Im ganzen Landkreis debattierten Mandatsträger darüber, wie sie die Grundlagen für einen sozialen Wohnungsbau schaffen können. Die zurzeit einzige Chance bietet die sogenannte sozial gerechte Bodennutzung. Die Dringlichkeit des Anliegens verdeutlichte jetzt eine Veranstaltung der SPD zum Thema Baupolitik und Baurecht mit dem Fürstenfeldbrucker Kommunalpolitiker und Vorsitzenden der Kammer für Bankenrecht am Landgericht München, Peter Falk, in Röhrmoos.

Wenn dort Paula Herzinger so weiter macht, dann entwickelt sie sich endgültig zum sozialen Gewissen von Röhrmoos. Vor einiger Zeit hat das SPD-Mitglied und Initiatorin der Arbeiterwohlfahrt in ihrer Gemeinde mit betonter Schärfe eine Seniorenpolitik angemahnt, die auch jene Menschen berücksichtigt, die nicht mit großen Renten ausgestattet sind. Sie forderte einen Richtungswechsel in der Sozialpolitik des neuen Gemeinderats unter Bürgermeister Dieter Kugler (CSU). Auf der Versammlung des SPD-Ortsvereins im überschaubaren Kreis in der Landgaststätte Brummer in Großinzemoos zum Thema "Baupolitik" erweiterte sie ihren Appell: "Wir brauchen eine andere Sozialpolitik." Eine, die den "sozialen Wohnungsbau in den Mittelpunkt" rücke. Mit anderen Worten: Baupolitik ist Sozialpolitik.

Als sozial engagierte Frau wird Herzinger mit den Sorgen beispielsweise von Witwen konfrontiert, die sich ihre Wohnung nicht mehr leisten können. Sportvereinsvorsitzender Günter Bakomenko, der sich bei den Freien Wählern engagiert, erzählte von jungen Familien mit ordentlichen Beamteneinkommen, denen wohl nichts anderes übrig bleibe als wegzuziehen. Dabei würden sie für das soziale und gesellschaftliche Leben dringend gebraucht.

Was aber muss geschehen? Zu dieser Frage hatte der SPD-Ortsvereinsvorsitzende und Röhrmooser Gemeinderat Wolfgang Götz Peter Falk aus Gröbenzell eingeladen. Der Richter ist Gemeinderat in Gröbenzell, Fraktionschef der SPD im Fürstenfeldbrucker Kreistag und Fachmann für Baurecht. Auf kommunaler Ebene sieht Peter Falk zurzeit nur einen gangbaren Weg: "die sozial gerechte Bodennutzung". Diesen Begriff entnimmt er nicht irgendwelchen Parteiprogrammen, sondern den grundlegenden Artikeln des Baugesetzbuches. Darin wird festgehalten, dass Kommunen dazu verpflichtet sind, sich bei ihrer Baupolitik an den Maßstäben der Gemeinnützigkeit von Grund und Boden zu orientieren. Das Modell sieht so aus: Ein Gemeinderat schafft Baurecht. Der Mehrwert, den die jeweiligen Grundstücke dadurch erhalten, wird gedrittelt. Ein Teil geht in die Infrastruktur. Dazu zählen Kindergärten, Schulen oder Betreuungseinrichtungen. Denn jedes neue Wohngebiet bedeutet bekanntlich Zuzug. Es kann nicht sein, so die Argumentation des Gesetzgebers, dass die Gesellschaft diese Kosten übernehmen muss, ohne dass sich die Grundstückseigentümer daran beteiligen. Ihnen verbleibt ein Drittel des Mehrwerts. Der Rest soll dem sozialen Wohnungsbau zufließen. Durch dieses rechtlich einwandfreie Verfahren wird es Kommunen in einem zweiten Schritt möglich, finanzielle Mittel aus dem eben erst beschlossenen Wohnungspakt Bayern abzurufen. SPD-Politiker Peter Falk wirbt regelrecht für dieses Angebot der CSU-geführten Staatsregierung als "große Chance".

Die sozial gerechte Bodennutzung favorisiert Paula Herzinger für Röhrmoos. Dachau hat es bereits beschlossen. Der Trend im Landkreis geht in diese Richtung. Petershausen schafft nur Baurecht, wenn die Gemeinde ein Drittel des betreffenden Areals zu einem Preis auf dem Niveau von Bauerwartungsland erwerben kann. Ähnlich verfährt Hebertshausen. Bergkirchen orientiert sich am Einheimischenmodell, will aber künftig die Grundstücke nicht mehr an Bürger übergeben, sondern selbst Wohnungen für Einheimische bauen, und zwar zum Mieten und zum Kaufen. In eine ähnliche Richtung wie Petershausen geht vermutlich Schwabhausen. Zumindest schätzt Bürgermeister Josef Baumgartner (Freie Wähler) die Stimmung innerhalb des Gemeinderats nach der Klausurtagung am vergangenen Wochenende so ein: "Das ist der Trend."

Der stellvertretende Röhrmooser Bürgermeister Nicolas Kugler (Grüne Unabhängige Liste) ist dagegen skeptisch, ob die sozial gerechte Bodennutzung in Röhrmoos Anklang finden kann. Denn er habe das Modell Bürgermeister Kugler (CSU) im Gespräch vorgeschlagen, sagte er auf der SPD-Versammlung mit Peter Falk. Sein Eindruck: "Der Bürgermeister steht ihm ablehnend gegenüber." Für das Baugebiet mitten im Ort Röhrmoos direkt am Rathaus mit dem Namen "Am Bücherlweiher" in einer Größenordnung von fünf Hektar käme der Beschluss für eine sozial gerechte Bodennutzung zu spät. Auch für den kompletten Umbau des Dorfs Schönbrunn im Sinne der Inklusion mit neuen Wohngebieten bleibt Paula Herzinger nur die Hoffnung, "dass im sozialen Wohnungsbereich etwas geschieht".

Am Telefon erzählt Falk noch ein juristisches Schmankerl. Der Oberbürgermeister der Stadt Halle muss sich gerichtlich wegen angeblicher Verschwendung von kommunalen Finanzen verantworten. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Monat entschieden, dass der Freispruch neu verhandelt werden muss. Er habe die Neuverhandlung damit begründet, dass die Anklage sehr begründet gewesen sei. Richter Falk fragt deshalb: Gilt der gleiche Vorwurf nicht auch für Kommunalpolitiker, welche die sozial gerechte Bodennutzung versäumen? Damit also dringend nötige Einnahmen für ihre Gemeinde nicht sichern?

© SZ vom 22.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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