Petershausen:Ein Zuhause für Demenzerkrankte

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Das neue Danuvius-Heim in Petershausen stimmt sein Pflegekonzept und die architektonische Gestaltung des Hauses sowie die Innenausstattung auf die Individualität der Bewohner ab

Von Petra Schafflik, Petershausen

Margeriten und wilde Gräser stehen in kleinen Vasen am Tisch, bringen den Sommer ins Haus. Durch die geöffnete Terrassentür geht der Blick hinaus in den Innenhof, wo Beerensträucher sich um einen kleinen Rundweg gruppieren. Im neu eröffneten Danuvius-Haus, einem Spezialpflegeheim für Menschen mit Demenzerkrankungen in Petershausen, ist Elisabeth Lutz als eine der ersten Bewohnerinnen gerade eingetroffen. Schon kurz darauf sitzen alle gemeinsam mit den Töchtern von Elisabeth Lutz entspannt bei Kaffee und Kuchen, von Umzugsstress keine Spur.

Die ruhige Atmosphäre ist ganz im Sinn von Einrichtungsleiterin Astrid Filtz, der das individuelle Wohlbefinden ihrer Bewohner am Herzen liegt. Deswegen werden die 130 Plätze in acht Wohngruppen im neuen Haus auch erst sukzessive bis Sommer 2017 belegt. So sollen sich die Bewohner nach und nach in Ruhe einleben, sich "alles schön einlaufen", betont Filtz. Von der Ingolstädter Danuvius-Klinik sind die beiden ersten Bewohnerinnen jetzt ins Glonntal umgezogen. Nach dem idyllischen Flüsschen Glonn, das durch Petershausen fließt, ist nicht nur die umgebende Landschaft des Heims benannt. So heißt auch die Wohngruppe, in der einmal 14 Demenzkranke leben werden. Wie in allen Wohneinheiten liegt dort zentral zwischen den Zimmern ein großer Wohnraum, wo sich das Gemeinschaftsleben abspielen wird. Sollten künftige Bewohner stark pflegebedürftig sein, will Astrid Filz sie im Bett aus den Zimmern rollen. "Wirklich alle sollen an der Gemeinschaft teilhaben." Noch ist der weitläufige Raum nicht komplett ausgestattet. "Wir möblieren nach und nach, je nach den Bedürfnissen der Menschen, die kommen." Gemütliche Elemente wie Sofas und Ohrensessel gehören auf jeden Fall dazu, aber kein Wohnraum im Haus wird später einmal wie der andere aussehen. Im "Glonntal" gibt es aber schon nette Akzente, wie ein zierliches Beistelltischchen, das eine der Bewohnerinnen mitgebracht hat.

Was überall schon steht, ist eine großzügige Küchenzeile. Diesem funktionalen Element kommt eine entscheidende Rolle im Pflegekonzept zu. Denn zentrale Heimküche oder Speisesaal wird man im Danuvius-Haus vergeblich suchen. Alle Mahlzeiten, vom Frühstück übers warme Mittagessen bis zur Abendbrotzeit, werden in den Wohngruppen zubereitet. Und zwar von hauswirtschaftlichen Fachkräften gemeinsam mit Bewohnern. "Ehemalige Familienmanagerinnen, die mit großer Tatkraft drei Kinder großgezogen haben, helfen meist gerne noch nach Kräften mit beim Schnippeln und Vorbereiten", sagt Filtz. Arbeitsabläufe und Tagesrhythmen, welche die Bewohner aus ihrem aktiven Lebensalltag kennen, geben Sicherheit und schaffen Vertrauen in der neuen Umgebung. Genauso wie persönliche Gegenstände, etwa Bilder, eine Anrichte oder ein Sessel, mit denen die Bewohner ihr Zimmer möglichst individuell gestalten sollen. Dass neben 58 Einzel- auch 36 Doppelzimmer errichtet wurden, ist konzeptionellen Überlegungen zum Wohl der Bewohner geschuldet. "Wir leben den größten Teil unseres Lebens in Gemeinschaft. Das Zusammenwohnen in einem Doppelzimmer beruhigt erfahrungsgemäß viele Demenzkranke", weiß Astrid Filz. Das bestätigen Elisabeth Weiher und Gertraud Krammer, die ihre Mutter bewusst für ein Zweibett-Zimmer angemeldet haben. "Weil sie es gar nicht gewohnt ist, alleine zu sein." Früher lebte Elisabeth Lutz in einer eigenen Wohnung mit Tochter Gertraud unter einem Dach. Aber als ihre Demenzerkrankung sich mehr und mehr verstärkte, gerieten die Angehörigen an ihre Grenzen. "Die ständige Sorge macht einen verrückt", betont Elisabeth Weiher. Mit dem Rollator sei die Mutter im Dorf unterwegs gewesen, "stundenlang haben wir oft gesucht." Auch Tag und Nacht hat die 90-jährige Seniorin verwechselt, die Gefahren des Straßenverkehrs nicht mehr beachtet. "Die Post landete in der Mikrowelle." Als Dauerzustand ging das nicht mehr.

Das Danuvius-Haus, in das Elisabeth Lutz jetzt von der Ingolstädter Danuvius-Klinik umzieht, gefällt den Töchtern. "Wir haben den Eindruck, dass unsere Mutter gut versorgt und betreut wird." Der 24-Stunden-Dienst der Fachkräfte gebe Sicherheit, das individuelle Konzept auch. "Denn unsere Mutter soll es gut haben."

Damit Demenzkranke es im Danuvius-Haus gut haben, ist nicht nur das Pflegekonzept, sondern bereits die Architektur auf diese Erkrankung ausgelegt: Von weitem wirkt das zweigeschossige Gebäude mit der hellen Holzfassade wie ein Vierkanthof. Im Innern umgeben je zwei Wohngruppen einen zentralen Innenhof, Therapie- wie Veranstaltungsräume sind in die Wohngruppen eingestreut. Bewohner, die ihren Bewegungsdrang ausleben möchten, können im Haus auf breiten Gängen und im Garten auf einem Rundweg gefahrlos marschieren. Und in jeder Wohngruppe liegt zentral der helle, einladende Wohnraum, wo sich das gemeinschaftliche Leben abspielt, wo Gerüche und Geräusche die Sinne ansprechen.

Maxime der pflegerischen Betreuung ist Individualität. "Daher ist es ganz wichtig, dass wir möglichst viel über unsere Bewohner wissen", sagt Astrid Filtz. So können lieb gewonnene Gewohnheiten auch im Heim weiter beibehalten werden. Starre Regeln und Vorgaben würden dieses Konzept nur stören. "Unsere Hausordnung wird eher die Unordnung sein", sagt die Leiterin und lacht.

Die muntere Kaffeerunde wird jetzt von Betreuerin Delia Clasen kurz unterbrochen. Die junge Frau rollt eine Bewohnerin hinaus an ein schattiges Plätzchen auf der Terrasse. Aus den Unterlagen weiß Clasen schon, dass die Seniorin gerne "Mensch-ärger-dich-nicht" spielt. "Deshalb habe ich ihr für den Nachmittag eine Partie versprochen." Die alte Dame ist sofort in ihrem Element, der Würfel rollt und sie setzt mit sicherer Hand ihre Spielfigur.

© SZ vom 09.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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