Petershausen:Die Freunde aus Frankreich

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Junge Leute aus Varennes sind zu Gast in Petershausen und bereiten sich auf ihre Kostümparty vor. (Foto: Schafflik)

Sprache, Kultur, Tradition: Warum sich junge Menschen aus Petershausen und Varennes für den Jugendaustausch begeistern

Von Petra Schafflik, Petershausen

Wenn vor dem Rathaus neben der weiß-blauen Landesfahne Bayerns auch die französische Trikolore weht, ist es wieder soweit: Junge Leute aus der Partnerstadt Varennes-en-Argonne verbringen eine spannende und kurzweilige Zeit gemeinsam mit Petershausener Jugendlichen. Der traditionelle Jugendaustausch, von Anfang an wichtiges Element der Partnerschaft zwischen den beiden Gemeinden, bedeutet mehr als Spaß bei Festen und Ausflügen: Die Begegnung gibt vielfältige Einblicke in Kultur und Traditionen des jeweiligen Nachbarlands, die eine Urlaubsreise nicht bieten könnte. "Es sind viele Freundschaften entstanden, die wir zwischen den Treffen über die sozialen Netzwerke pflegen", erzählt die 15-jährige Emie, die gerade gemeinsam mit den übrigen 33 Austausch-Teilnehmern an einem möglichst fantasievollen Kostüm für die Abschluss-Party bastelt. Auch Sprachkenntnisse lassen sich wechselseitig erproben, erklärt Sarah, 15. "Man lernt, was nicht im Französisch-Buch steht."

Der engagierten Jugend ist es zu verdanken, dass die 1968 gegründete Partnerschaft zwischen Petershausen und dem nordfranzösischen Varennes-en-Argonne, damals eine der ersten in Bayern überhaupt zwischen einer deutschen und einer französischen Gemeinde, nicht zu einer formalen Verbindung auf offizieller Ebene verkümmert ist. Denn egal, wer über die Jahrzehnte in den jeweiligen Rathäusern gerade die Amtsgeschäfte erledigte: Engagierte Jugendliche haben stets auf beiden Seiten die Austausch-Woche im August organisiert. Ein Freizeit-Angebot, das auch in Zeiten von Billig-Flügen und Sprachcamps nicht seinen Reiz verloren hat. Schon zum zweiten Mal ist Emie jetzt in Petershausen. "Die Stimmung ist immer gut, wir kennen uns alle." Auch wenn nur 600 Kilometer zwischen dem französischen Varennes und Petershausen liegen: Die Lebensumstände der Menschen unterscheiden sich. "Die Mahlzeiten", weiß Marceau spontan zu nennen. Die Petershausenerin Sarah findet die französische Begrüßung mit Küsschen "anders und toll". Sprachkenntnisse muss niemand vorweisen, um beim Austausch mitzumachen. Doch wer in der Schule Deutsch oder Französisch lernt, freut sich über die Chance, das Erlernte auch mal anzuwenden. Emie spricht in ihrer Petershausener Gastfamilie Deutsch, ihre Schulleistungen haben sich über die Jahre durch den Austausch schon verbessert, "man merkt das an den Noten".

Sprache, Kultur und menschliche Begegnung sind der Kern des Jugendaustauschs, funktionieren aber nur mit einem Freizeitprogramm, das Spaß macht. Neue Teilnehmer kommen oft, weil sie von Freunden oder Geschwistern davon erfahren haben. So wie die zwölfjährige Anna. "Mein Bruder hat erzählt, dass es toll ist. Da wollte ich es auch mal ausprobieren." Ausflüge und Aktivitäten organisiert in Petershausen eine "Jugend-Kontaktgruppe", finanziell unterstützt die Gemeinde. In diesem Jahr kümmern sich besonders viele Betreuer um die Jugend. Denn in Petershausen wollen sich die aktuell federführenden Aktiven nach dem Jubiläum der Gemeindepartnerschaft 2018 zurückziehen. Schon jetzt werden deshalb Nachfolger geschult, um die Kontinuität des vorbildlichen Austausch-Programms zu sichern.

Alle sind mit Herzblut dabei, setzten Semesterferien oder Urlaub ein, damit der Jugendaustausch läuft. "Die Woche im August gehört einfach dazu", erzählt Antonia Scherer. Auch die Französin Johanna Mollard ist ganz selbstverständlich wieder mit der Gruppe aus Frankreich angereist. Die 21-Jährige, die sich seit acht Jahren für die Städtepartnerschaft engagiert, hat sich auch mit historischen Aspekten am Beispiel ihrer Familiengeschichte beschäftigt. Die Geschichte ihres Urgroßvaters, der in einem Konzentrationslager ums Leben kam, dokumentierte sie in einem Gedächtnisblatt für das historische Projekt "Namen statt Nummern." Aber auch für die Studentin Mollard gehört der Jugendaustausch mit Petershausen nach wie vor zum Jahresrhythmus. "Der Termin im August ist im Kalender fix."

Wo die jungen Teilnehmer beim Austausch noch vor allem gemeinsame Aktivitäten und Freundschaften schätzen, hat das Organisationsteam auf beiden Seiten noch andere Werte im Fokus: Johanna Mollard engagiert sich vor dem historischen Hintergrund der beiden Weltkriege für die deutsch-französische Freundschaft, "damit so etwas nie wieder passiert". Und Antonia Scherer, die mit Sorge das aktuelle Erstarken rechter Strömungen beobachtet, hält "grenzüberschreitende Freundschaften gerade jetzt für besonders wichtig."

© SZ vom 17.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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