Harley-Treffen in Odelzhausen:Biker, zur Sonne

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Seit 21 Jahren treffen sich bis zu 2000 Harley-Freunde bei den Odelzhausener Wirtsleuten Martina und Xaver Willibald. Am Donnerstag suchen sie wieder das "besondere Feeling": "Es ist ein bisschen wie auf einem Highway in den USA"

Von Benjamin Emonts, Odelzhausen

An einem Tag im Jahr hört der Odelzhausener schon beim Aufwachen, dass alles anders ist. Ein lautes, konstantes Knattern dringt hartnäckig durch die Fenster. Es sitzt im Ohr wie ein Tinnitus und wird noch bis in die Nachmittagsstunden dort bleiben. Grund zur Sorge liefert das Geräusch aber nicht. Der bereits konditionierte Odelzhausener weiß: Es ist mal wieder Harley-Treffen im Ort.

Harley Davidson, das soll ja angeblich ein Lebensgefühl, eine Berufung sein. Wer zumindest eine Ahnung davon bekommen will, der darf sich das alljährliche Harley-Treffen in Odelzhausen, das am Donnerstag von zehn Uhr an vor dem Gasthaus zur Sonne stattfindet, keinesfalls entgehen lassen. Wirt Xaver Willibald organisiert das Treffen bereits zum 21. Mal. Auch in diesem Jahr erwartet er mehr als 2000 Biker und Schaulustige zum Weißwurstessen vor seinem Gasthaus. Für Harley-Fahrer aus ganz Süddeutschland, das erwähnt Willibald stolz, sei das Treffen längst ein fester Bestandteil im Tourenkalender. Und die bekanntlich geselligen Odelzhausener nutzen die Gelegenheit, um gleich ein kleines Dorffest daraus zu machen.

Der Harleyfahrer ist wirklich tätowiert

Wer hier schon mal gewesen ist, der schätzt den besonderen Charme des Bikertreffs. Bei gutem Wetter verwandelt sich der Platz vor dem Wirtshaus in einen großen, gemütlichen Biergarten mit Live-Musik. Entscheidend aber sind die Protagonisten des Spektakels. Denn sie präsentieren sich als Outlaws, was ihre Motorräder und ihr Aussehen betrifft. Klischees? Von wegen. Der Harley-Fahrer ist wirklich tätowiert. Er trägt Cowboystiefel, lange Haare und schaut mitunter so grimmig, dass man sein Fahrrad besser nicht neben seinem Höllenbike platziert. Die Braut, die er dabei hat, sticht genauso ins Auge wie das Airbrush auf seiner Maschine oder das Club-Emblem auf dem Rücken seiner Lederkutte. Anstatt zu palavern, lässt er böse Blicke sprechen. Kurzum: Er ist cooler als du. Das gilt auch für Dukati- und BMW-Fahrer.

Martina und Xaver Willibald sind seit mehr als 20 Jahren leidenschaftliche Harley-Fahrer. (Foto: oh)

Willie G. Davidson, der Enkel des Firmengründers, soll einmal gesagt haben: "Am achten Tag schuf Gott die Harley." Ein Motorrad als göttliche Eingabe - so weit würde Xaver Willibald zwar nicht gehen. Doch auch so wurde der heute 62-Jährige im Alter von 40 Jahren mit dem Mythos Harley "infiziert", wie er gesteht. Willibald holte damals die Harley eines Freundes aus der Werkstatt ab und kaufte sich wenig später eine eigene, eine Softail Springer. Es dauerte nicht lange, bis auch seine Frau Martina infiziert war und eine Harley bekam. "Wenn man einmal damit gefahren ist, will man nichts anderes mehr", sagt Willibald und beschreibt das "besondere Feeling", mit offenem Helm gemächlich über das Land zu tuckern und dabei allerlei Gerüche wahrzunehmen. "Es ist ein bisschen wie auf einem Highway in den USA."

Weißwurstfrühstück mit Motorrad

Mit etwa 30 Gleichgesinnten, viele davon aus Odelzhausen, drehten die Willibalds vor 22 Jahren erste Touren, die sie auf der Terrasse vor dem Wirtshaus ausklingen ließen. Schließlich wurde es zum Ritual, sich am 1. Mai jeden Jahres zum Weißwurstfrühstück mit den Motorrädern zu treffen. Aus anfangs 30 Bikes sind über die Jahre bis zu 1500 geworden, die aus ganz Süddeutschland nach Odelzhausen cruisen. Der Großteil davon sind Harleys.

Im US-Kultfilm Easy Rider (1969) wird das Fahren einer Harley Davidson als ein Lebensgefühl der Freiheit beschrieben. (Foto: Alessia Pierdomenico/Bloomberg)

Ihre Fahrer sind Fließbandarbeiter, Anwälte oder Ingenieure. "Auf der Harley sind alle gleich. Wir sind eine große Familie", sagt Willibald. Auf seinem Fest ist das ganz deutlich zu spüren. Es ist ein freundliches Miteinander unter den Schaulustigen, den Dorfbewohnern und den lässigen Harley-Fahrern, die vielleicht doch nicht so böse sind, wie anfangs vermutet. Für Willibald und die anderen Motorradfahrer ist das Treffen auch ein großes Wiedersehen. Man kennt sich innerhalb der Szene. Harley-Clubs wie die Chain Dogs aus dem Landkreis Dachau oder Remaining MC Dachau sind Stammgäste auf dem Treffen. Aus den zwei großen rivalisierenden und der organisierten Kriminalität zuzurechnenden Clubs, den Bandidos und Hells Angels, kommen laut Willibald nur vereinzelt Mitglieder. "Ich kann damit ganz gut leben. Da wäre Ärger programmiert", sagt Willibald und weist auf die stets friedliche Stimmung auf dem Treffen hin: "Es hat noch nie eine Schlägerei gegeben."

Die Harley, ein Familienmitglied

Viel lieber besinnt man sich an diesem besonderen Tag, der in diesem Jahr mit Christi-Himmelfahrt zusammenfällt, auf die Schönheit der urigen Motorräder, die von jenseits des Atlantiks stammen. Im Prinzip gibt jeder der Biker seine ganz persönliche Visitenkarte ab, wenn er seine Harley parkt. Wenn die Maschinen im Herbst in die Garage oder die Wohnstube kommen - die Harley gilt zuweilen als vollwertiges Familienmitglied - werden neue Chromteile verschraubt, ein neues Airbrush aufgespritzt, der Auspuff ausgetauscht oder der Motor frisiert. "Eine Harley bleibt nie so, wie man sie kauft. Man ist nie fertig", sagt Willibald. Das Harley-Treffen sei folglich eine gute Gelegenheit, sein geliebtes Einzelstück zu präsentieren und sich neue Anregungen zu holen.

Wichtig dafür ist gutes Wetter. Der Termin am 1. Mai fiel wegen vorhergesagten Regens und Kälte ins Wasser. "Wir sind zwar eisenhart. Aber bei zehn Grad will nicht jeder aufs Motorrad steigen", sagt Willibald mit einer Spur Selbstironie. Wenn Gott an Tag acht tatsächlich die Harley geschaffen hat, so dürfte am Donnerstag die Sonne auf die Motorräder scheinen.

© SZ vom 04.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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