Niederroth:Afrika abstrakt

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Die Galeristin Kirstin Diehl zeigt wieder Bildhauer aus Zimbabwe. In diesem Jahr konzentriert sie sich in ihrem Kunstdepot auf einen Blick über vier Generationen Bilderhauerei

Von Emily Holmes, Niederroth

Knapp 11 000 Kilometer trennen das Dorf Niederroth mitten im Landkreis Dachau von Harare, der Hauptstadt Simbabwes. Trotzdem ist am vergangenen Samstagnachmittag ein Stück Simbabwe nach Niederroth gekommen. Die Kunstpädagogin Kristin Diehl und die von ihr gegründete Organisation ConARTz (Contemporary Art of Zimbabwe) zeugen in der Ausstellung "Generationensprung" Steinbildhauerwerke aus vier Generationen. Von der noch mythisch inspirierten Kunst der fünfziger Jahre bis zu abstrakten Werken von heute.

Seit 1992 wirbt ConARTz auf Ausstellungen in Deutschland Skulpturen der Bildhauer Simbabwes. Anfangs, um eine afrikanische Schule finanziell zu unterstützen, von 2002 an auch zur Unterstützung junger Bildhauer. Dazu wurde eine eigene Kunstpreisstiftung ins Leben gerufen, die bis 2010 alle zwei Jahre und unter der Schirmherrschaft der deutschen Botschaft in Harare den "Kristin Diehl Sculpture Prize" verlieh.

Unter den Preisträgern ist auch Itai Nyama, der 2010 den ersten und 2004 den zweiten Preis erhielt. In der Begründung hieß es damals, Nyama nähere sich dem Stein wie ein Zen-Meister und befreie ihn von Masse, Gewicht und Schwerkraft. Er habe "dem Stein das Steinige" genommen. Auch er selbst sagt, es sei sein Ziel, die über Jahrmillionen gewachsene Materie Stein wie Papier zu falten, unter den Händen zerfließen und in der Luft schweben zu lassen. Und tatsächlich sehen seine Skulpturen eher aus wie aus Metall gebogen oder aus Papier gefaltet als aus Stein gehauen. Auf die Frage nach seiner Inspiration antwortet er: "Das Wesentliche ist, dass die Skulptur schon im Stein ist, ich haue nur noch das Überflüssige weg." Vor allem aber die Zusammenarbeit mit anderen Künstlern, Schriftstellern und Musikern habe ihn in seiner künstlerischen Entwicklung geprägt, sagt Nyama. "Indem ich mit anderen Künstlern aus der ganzen Welt zusammen komme und erfahre, was sie inspiriert und antreibt, kann ich experimentieren und eine ganz neue Mischung entstehen lassen. Da wird die Bildhauerei zum Denkprozess."

Itai Nyama stellt im Kunstdepot von Kirstin Diehl in Niederrorh aus und arbeitet auch dort. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Schon 1987 wurde die simbabwische Bildhauerkunst von der amerikanischen Newsweek als "wahrscheinlich eine der wichtigsten Kunstformen dieses Jahrhunderts" gelobt. Sie ist quasi aus dem Nichts entstanden und hat in wenigen Jahrzehnten die westliche Kunst- und Kulturszene erobert. Kirstin Diehl erzählt über die besonderen Umstände der Geschichte des Landes, von dem enorm kreativen Potential seiner Menschen, die den sagenhaften Aufstieg in die internationale Kunstwelt ermöglichten.

Als der britische Kunstkenner Frank McEwen 1956 in den damaligen Apartheitsstaat Rhodesien kam, um die neue Nationalgalerie in Salisbury (heutiges Harare) zu leiten, war er überzeugt, dass wirkliche Kreativität angeboren und nicht zu erlernen sei. Er wollte das kreative Potenzial der Afrikaner aufspüren. Als er zufällig eine afrikanische Specksteinskulptur gezeigt bekam, war er so begeistert, dass er Workshops für Bildhauerei einführte. 1967 gründete McEwen dann eine Künstlerkolonie, auf der er die jungen Künstler dazu ermutigte, sich von ihren inneren Bildern und den Mythen ihres Volkes, der Shona, inspirieren zu lassen. Besonders in den Werken der ersten Generationen manifestieren sich die über Generationen mündlich überlieferte Mythen der Shona.

Durch Ausstellungen im Ausland - etwa im New Yorker Museum of Modern Art oder dem Musée Rodin in Paris- erlangten die Künstler aus Simbabwe zunehmende internationale Bekanntheit. Durch die Vermischung mit der westlichen Kunstwelt veränderten sich auch ihre Darstellungsformen. So sind die Skulpturen der moderneren Generationen nicht mehr nur durch Mythen und Traditionen der Stammeskultur geprägt, sondern die Künstler finden auch in abstrakten Formen Ausdruck, wie Itai Nyama.

Zwar soll auch heute noch durch die figürliche Darstellung der Ausdruck des Glaubens an die Beseeltheit der Natur in die Werke einfließen. Aber die jüngere Generation simbabwischer Künstler widmet sich verstärkt gegenwartsbezogenen Formen. Zeitgeschichtliche oder politische Bezüge sind dabei jedoch selten. Die Entwicklung geht inzwischen immer stärker zur konsequenten Abstraktion.

So faszinierend es ist, sich in die Bildersprache der simbabwischen Künstler einzuarbeiten und Bezüge zur traditionellen Mythologie herzustellen, auch für alle, die sich nicht genauer mit den Hintergründen beschäftigt haben, sind die Skulpturen faszinierend. Sie werden ausschließlich von Hand, meist aus Serpentin gefertigt, und haben je nach Mineralgehalt des Steines unterschiedliche Farbtöne. "Sie sind einfach schön in ihrer Formensprache, ihrer Formenvielfalt und der Kreativität und Kraft, die sie ausstrahlen", sagt Kristin Diehl.

In dem Kunstdepot in Niederroth organisiert ConARTz ein- bis zweimal im Jahr Ausstellungen simbabwischer Künstler. "Generationensprung" ist noch bis 10. Juli zu sehen. Geöffnet hat die Kunsthalle freitags von 16.00 bis 19.00 Uhr, samstags von 15.00 bis 19.00 Uhr und sonntags von 11.00 - 19.00 Uhr sowie nach telefonischer Vereinbarung. Die Werke stehen auch zum Verkauf.

© SZ vom 20.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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