Neueröffnung:Nächster Halt: Italien

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Die beiden jungen Gastronomen Sebastiano Ritacco und Baris Erdem haben aus dem früheren Szenetreff am Dachauer Stadtbahnhof eine gemütliche Tagesbar gemacht. Eröffnen wollen sie Ende September

Von Benjamin Emonts, Dachau

Als junger Mensch ist es manchmal schon schwer, wenn die Älteren von vergangenen Partys erzählen. Die Musik, so heißt es immer, sei damals viel besser gewesen als heute. Das Flirten funktionierte noch von Angesicht zu Angesicht, locker an der Bar lehnend. Getanzt wurde bei Champagner und zu richtiger Disco-Musik. Und die Mädchen - natürlich eine ganz andere Liga.

Zu diesem Schluss kommen eigentlich alle Erzählungen von den guten, alten Zeiten in der "Lokalbahn Dachau". Der fast schon legendäre Dachauer Gastronom Karl Strobl hatte das 1950 erbaute Gebäude am Stadtbahnhof in den Neunzigerjahre in einen regelrechten Szene-Treff für die Dachauer verwandelt. Vom damaligen Glanz und Glitzer ist heute allerdings nichts mehr geblieben. Alle Versuche, dem Gebäude wieder neues Leben einzuhauchen, sind kläglich gescheitert. Die Partys, die zeitweise zu Volksfestzeiten noch gut funktionierten, wurden von der Stadt verboten, weil sich Anwohner beschwert hatten. Vor drei Jahren schepperten dann ein letztes Mal laute Techno-Beats aus dem alten Gemäuer.

Doch jetzt schöpfen die Dachauer wieder Hoffnung, dass ihre "Lok" zu altem Ruhm zurückfinden könnte, denn seit März regt sich wieder was an dem Bahnhofsgebäude. Fast täglich kann man dort junge Männer beim Werkeln beobachten. Sie streichen die Fassade, bauen eine Terrasse und pflanzen kleine Bäumchen auf dem Weg zum Gebäude. Der Karlsfelder Sebastiano Ritacco und sein Dachauer Partner Baris Erdem werden spätestens Ende September ein Tagescafé nach italienischem Vorbild in dem alten Bahnhofsgebäude eröffnen.

"Wir haben immer gehört, wie super und toll es hier früher war", sagt der 29-jährige Ritacco. "Jetzt wollen wir Jung und Alt wieder zusammenbringen." Die Resonanz in den sozialen Netzwerken auf ihre Pläne ist groß. Besonders junge User spekulieren darauf, dass die eher ruhige Stadt Dachau um eine Party-Location reicher werden könnte. Die Nostalgiker wiegeln in dieser Hinsicht sofort ab: "Wie zu Strobl's Zeiten? Das gibt es kein zweites Mal", schreibt etwa eine Userin. Und eine andere blickt wehmütig zurück: "Das waren schöne Zeiten. Hammer!"

Manche Anlieger äußern auf Facebook derweil Bedenken, dass wieder schlaflose Nächte auf sie zu kommen könnten. Sebastiano Ritacco und sein Kollege Baris Erdem, der das Dachauer Lokal "Rauchfang" betreibt, können solche Ängste aber beseitigen. Das Tagescafé, so versprechen sie, wird täglich nur von 10 bis 23 Uhr geöffnet haben. An den Wochenenden soll einmal im Monat ein kleiner Live-Act mit zwei bis drei Musikern stattfinden. Geschäftsführer Erdem schwebt vor, bei der Fußball-Weltmeisterschaft im kommenden Jahr Public Viewing anzubieten. Sebastiano Ritacco jedenfalls beschwichtigt: "Um Gottes Willen. Das soll definitiv keine Party-Location werden."

Denn nur so kann ihr Konzept funktionieren. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Stadt Dachau laute Partys in dem Gebäude nicht duldet, zumal sich in der unmittelbaren Nachbarschaft ein Altersheim befindet. Ritacco und Erdem wollen stattdessen ein gediegenes, gemütliches Café eröffnen, das sich langfristig in Dachau etablieren soll. Weil im Stadtteil Etzenhausen ansonsten nicht viel geboten ist, hoffen die beiden auf zahlreiche Gäste aus dem Viertel und vom direkt benachbarten S-Bahnhof. Auf ihrer übersichtlichen Karte stehen Kaffee und Tiramisu, Kaiserschmarrn, Panini und Sandwiches, Tomatensuppe und alkoholische Getränke. Außerdem wollen sie von Zeit zu Zeit warme italienische Klassiker wie Spaghetti Carbonara anbieten.

Rein optisch kann sich das Café definitiv sehen lassen. Der gesamte Innenbereich wurde von Grund auf erneuert und punktet durch Zurückhaltung. Die Wände wurden in weiß und einem dunklen olivgrün neu gestrichen und ergänzen sich gut mit dem Holzboden und Holzmöbeln. Das italienische Flair wird unterstrichen durch eine auseinandergeschnittene Piaggio Vespa, die in einem Eck steht, und italienische Lebensmittel auf den Fensterbrettern. An den Wänden hat der aus Kalabrien stammende Ritacco nostalgische Blechschilder und kleine Schwarz-Weiß Bilder von italienischen Schauspielern wie Bud Spencer oder Sophia Loren angebracht. Im Außenbereich haben die jungen Männer eine große Terrasse aus Holz gezimmert. Mit Sonnenschirmen kann die Fläche bei schlechtem Wetter zu 90 Prozent überdacht werden. Die Fassade wurde zwar neu gestrichen, der Retro-Look aus den Fünfzigerjahren jedoch weitestgehend erhalten. Über dem Eingangsbereich hängt nun ein großes Schild mit der Aufschrift: "Lok".

Was "Karli" Strobl von dem hoffnungsvollen Konzept hält, blieb bislang im Verborgenen. Er betrieb später ein Zelt auf dem Volksfest und das "La Tapa" in der Altstadt, das sich zu seiner Zeit zum nächsten Szene-Treff entwickelt hatte. Aus dem Dachauer Nachtleben ist der berüchtigte Gastronom inzwischen aber verschwunden. Die gute, alte Zeit ist eben vorbei.

© SZ vom 02.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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