Neue Gewerbegebiete für Karlsfeld:Bauen im Grünzug

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Auf der Suche nach Gewerbeflächen gilt in Karlsfeld nicht mehr entweder Münchner oder Schleißheimer Straße, sondern sowohl-als-auch. Der Vortrag eines Stadtplaners überzeugt die Gemeinderäte. Nur die Naturschützer bleiben kritisch.

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Nach Prüfung der beiden Standorte für Gewerbe, die als Favoriten aus den Beratungen des Bürgerarbeitskreises hervorgegangen sind, empfiehlt der Stadtplaner Frank Becker-Nickels vom Büro topos, beide Standorte umzusetzen. "Das ist kein fauler Kompromiss", erklärte er den erstaunten Gemeinderäten. Vielmehr könnte beide Areale in einer Symbiose voneinander profitieren. Becker-Nickels bekam für seine Ausführungen Applaus, auch von den etwa 20 Zuhörern.

CSU und SPD werben seit Jahren für ein Gewerbegebiet an der Schleißheimer Straße; dort ist die Gemeinde Eigentümerin vieler Flächen. Für die Mehrheit der Bürger im Arbeitskreis ist das zwar eine denkbare Option, aber nur zweite Wahl. Sie favorisieren wie das Bündnis für Karlsfeld ein Mischgebiet im noch unbebauten Areal hinter der Münchner Straße. Was wiederum bei CSU und SPD auf wenig Gegenliebe stößt: Man wolle nicht noch mehr Verkehr ins Ortszentrum ziehen, heißt es dort.

(Foto: N/A)

Dem Entweder-Oder im Gemeinderat setzte der Fachplaner nun ein salomonisches Sowohl-als-auch entgegen, das die Vorbehalte beider Seiten zwar nicht komplett beseitigt, aber doch stark aufgeweicht hat. Kleine Handwerksbetriebe, die die Nachbarn nicht mit Lärm oder Abgasen belästigen, könne man gut in der Ortsmitte westlich der Münchner Straße unterbringen, sagte Becker-Nickels. Damit sei auch ein städtebaulicher Brückenschlag auf die östliche Seite mit der Neuen Mitte möglich. Für größere mittelständische Betriebe biete sich der verkehrsgünstige Standort an der Schleißheimer Straße an. Weil Karlsfeld laut Becker-Nickels neun bis zwölf Hektar zusätzlicher Gewerbeflächen benötigt, sei dieser Standort "zwingend"; neun Hektar könnte die Gemeinde allein hier ausweisen. Becker-Nickels sprach aber auch die Probleme an, etwa Einschnitte in den Regionalen Grünzug. "Das ist ein ganz sensibler Bereich." Nach seiner Vorstellung sollte das Grundstück kompakt bebaut werden, als Ausgleichsflächen böte sich das benachbarte Areal um die Kiesweiher in Obergrashof an. Hier könnte auch noch Gastronomie entstehen, zum Beispiel ein Biergarten.

Bei einem Gewerbe- oder Mischgebiet in der Ortsmitte stellen sich andere Probleme: Die Gemeinde plant hier einen innerörtlichen Grünzug, ideal für hochwertige Wohngebiete. Gewerbeansiedlung würden diese Qualität womöglich schmälern. "Gewerbe wäre hier ein Fremdkörper." In Ortsrandlage kann sich Becker-Nickels ein Mischgebiet aus Gewerbe- und Wohnen aber sehr wohl vorstellen, vielleicht sogar ein eingeschränktes Gewerbegebiet, allerdings alles in sehr begrenztem Umfang. Unterm Strich könnte die Gemeinde hier etwa vier Hektar mit Gewerbe bestücken.

BN-Vorsitzende Marion Matura-Schwarz. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Das Prozedere ist allerdings langwierig. Der Flächennutzungsplan muss erst geändert werden, dann folgt die Bauleitplanung, die alleine schon drei Jahre dauert, und dann kommt auch noch das Baugenehmigungsverfahren, bei dem auch Klagen möglich sind. Selbst wenn die Betriebe endlich loslegen könnten, werde es noch einmal einige Jahre dauern, ehe die Investitionen völlig abgeschrieben seien, sagte Wirtschaftsförderer Peter Freis. "Wir können von heute an gerechnet erst in zehn Jahren mit höheren Gewerbesteuereinnahmen rechnen." In der Ortsmitte dürfte es vermutlich noch etliche Jahre länger dauern. Dort muss die Gemeinde nämlich erst noch schwierige Grundstücksverhandlungen führen. Ihr eigenes Grundstück beim Heizkraftwerk hat sie bereits für einen anderen Zweck reserviert. Dort soll in Kürze ein Containerdorf für Flüchtlinge entstehen, das dort mindestens zehn Jahre stehenbleiben soll.

Der stellvertretende CSU-Fraktionssprecher Johann Willibald richtete "eine große Bitte an Bürger und Fraktionen", nämlich dass man das Gewerbegebiet an der Schleißheimer Straße so schnell wie möglich umsetzen möge. "Uns läuft die Zeit davon." Im zweiten Schritt könne man mit den Erlösen gerne weitere Grundstücke an der Allacher Straße für Gewerbe kaufen. Die SPD teilt diese Sicht im wesentlichen: "Die Schleißheimer Straße hat für uns absolute Priorität", erklärt Fraktionssprecherin Hiltraud Schmidt-Kroll.

Stadtplaner Frank Becker-Nickels. (Foto: Stephan Rumpf)

Beim Bündnis für Karlsfeld sieht man das Ganze naturgemäß anders. Die Gemeinde sei nicht nur knapp bei Kasse, sie müsse auch mit ihren wenigen Flächen sorgsam haushalten, sagte Fraktionsvorsitzende Mechthild Hofner. "Im Interesse der Lebensqualität der Bürger" fordert sie, den Standort an der Münchner Straße vorzuziehen. Ihr Kollege Adrian Heim wies darauf hin, dass eine schnelle Umsetzung der Pläne an der Schleißheimer Straße ohnehin fraglich sei. Die Bürgerinitiative, die im Ratsbegehren 2010 die Pläne schon mal zum Scheitern gebracht hätten, sei ja immer noch aktiv, eine Wiederholung also denkbar. Heim verursachte damit einigen Aufruhr. Auf den Bänken von CSU und SPD verstanden viele dies als Drohung.

Johann Willibald (CSU) sprach von einem "starken Stück". Venera Sansone (SPD) witterte Stimmungsmache. "Das stinkt mir." Heim beteuerte, er habe lediglich einen Hinweis geben wollen. Offenbar ist es kein ganz unberechtigter: Die Vorsitzende des Karlsfelder Bund Naturschutz, Marion Matura-Schwarz, erklärte am Ende der Sitzung: "Wir sehen den Standort nach wie vor kritisch, weil er im Grünzug liegt." Für sie habe sich nichts geändert.

© SZ vom 23.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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