Nach Faschingsumzug:Gewaltorgie in Weichs

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Daniela Janzen wurde von einem Jugendlichen schwer verletzt. Die BRK-Helferin musste in die Klinik. (Foto: Toni Heigl)

Der Faschingsumzug in Weichs endet in brutalen Schlägereien. Die Polizei wird den vielen ungewöhnlich stark betrunkenen und aggressiven Jugendlichen kaum Herr.

Von Anna-Sophia Lang, Weichs

Nach einem friedlichen Beginn mündete der Weichser Umzug am Faschingsdienstag in eine beispiellose Gewaltorgie: Eine 29-jährige Helferin des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) wurde von einem betrunkenen Jugendlichen so hart gegen den Kopf geschlagen, dass sie mit Verdacht auf ein Schädel-Hirn-Trauma ins Amperklinikum gebracht werden musste. Die Polizei sah sich von 18 Uhr an einem Chaos gegenüber: Stark betrunkene und aggressive Jugendliche, die überall in brutale Schlägereien verwickelt waren und auch die Beamten angingen. "Man konnte nur noch seine eigene Haut retten", sagt Marcel Buchhorn, BRK-Bereitschaftsleiter in Markt Indersdorf. Die Bilanz: 30 Menschen wurden behandelt, zwölf davon mussten ins Krankenhaus. Nur mit weiteren rasch herbeigerufenen Kräften gelang es der Polizei, die Gewalttäter um 22.15 Uhr endlich zu vertreiben.

Daniela Janzen, Mutter von zwei Kindern, engagiert sich schon seit 20 Jahren ehrenamtlich beim BRK, kam aber erst vor kurzem in den Ortsverband Markt Indersdorf. "Eine so extrem aggressive Stimmung wie gestern habe ich noch nie erlebt", sagte die 29-Jährige am Mittwoch im Amperklinikum. Sie musste zur Beobachtung und Behandlung noch bis Donnerstag bleiben. Sie schilderte der SZ, wie die Stimmung beim Kehraus zu kippen begann. Sie lief mit einem Kollegen die Strecke der Faschingswagen ab und beobachtete mehrere Schlägereien, in die Polizei und Sicherheitsleute eingriffen.

Der Angreifer traf sie mit voller Wucht am Kopf

Kurz nachdem Janzen und ihr Kollege gegen 20 Uhr an ihren Posten neben dem Festzelt im Gewerbegebiet zurückgekehrt waren, eskalierte die Situation. Es begann eine größere Schlägerei. "Die Securitys waren bei anderen Schlägereien so gefordert, dass sie nicht hier waren", erzählt Janzen. Während sie einige stark blutende Männer in der Menge bemerkte, kümmerte sich ihr Kollege um eine junge Frau. "Sie wurde von einem Jugendlichen bedrängt und war sehr verängstigt", sagt Janzen. Die BRK-Mitarbeiterin wollte den Angreifer, den sie auf 18 Jahre schätzt, abdrängen. Plötzlich begann er, wild um sich zu schlagen und traf sie dabei mit voller Wucht an der linken Kopfseite.

Mehrere Männer, die den Vorfall mitbekommen hatten, umringten Janzen und ihren Kollegen und gingen aufeinander los. "Wir haben einfach versucht, die Menge zu beruhigen", berichtet Janzen. Schon seit Stunden war die Stimmung außerordentlich aggressiv. "Alle haben überall hin uriniert", so Janzen. Die BRK-Mitarbeiter wurden mit üblen Ausdrücken beschimpft. Auch von einer betrunkenen Mutter, die ihr Kind dabei hatte. Bereitschaftsleiter Marcel Buchhorn spricht von "massivsten Schlägereien". Obwohl der Zug in Weichs wesentlich kleiner ist als das Pendant in Markt Indersdorf, hatten die ehrenamtlichen Helfer fast genau so viele Einsätze. In Weichs gehe es schon immer gut zu. Aber Ausschreitungen wie in diesem Jahr habe es noch nie gegeben.

Die Stimmung wurde immer aggressiver

Die vielen kleinen Gruppen hätten sich gegenseitig aufgeheizt, so dass die Stimmung immer aggressiver wurde und Polizei, Sicherheitsleute und BRK irgendwann den Überblick verloren. Und das, obwohl laut Buchhorn alle "so präsent waren wie noch nie zuvor". Das BRK hatte extra sein Personal aufgestockt. "Eigentlich freuen wir vom BRK uns jedes Jahr auf den Fasching", sagt Buchhorn, "aber es ist ein absolutes No-Go, dass man sich in seiner Freizeit engagiert, um anderen zu helfen und dann auch noch angegriffen wird". Bernhard Seidenath, CSU-Landtagsabgeordneter und Vorsitzender des BRK-Kreisverbandes Dachau, zeigte sich am Mittwoch schockiert. Ein solches Verhalten sei nicht entschuldbar. "Das geht nicht in meinen Kopf. Da wurde eine Schwelle überschritten."

Polizeisprecher Michael Richter erklärt, dass in Weichs ein außergewöhnlich hohes Aggressionspotenzial und ein ebenso hoher Alkoholisierungsgrad aufeinander getroffen seien. Festnahmen gab es keine, die Polizei hätte zu viele verhaften müssen. Es wurden jedoch Platzverweise ausgesprochen. Richter geht von einer hohen Dunkelziffer bei den an Schlägereien beteiligten Personen aus. Werner Kerzel, Geschäftsleiter im Rathaus Weichs, spricht von "Horden alkoholisierter Teilnehmer". "Für normale Verhältnisse wären es genug Sicherheitskräfte und Polizeibeamte gewesen", sagt Kerzel. Die Geschehnisse werden Konsequenzen haben: In der nächsten Woche werden sich Vertreter der Gemeinde mit dem Veranstalter und der Polizei zu einer Nachbesprechung zusammensetzen. Im Gemeinderat wird am 18. März entschieden, ob es eine Auskehr überhaupt noch geben wird. "Der Faschingszug hat Folgen", sagt Kerzel.

© SZ vom 19.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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