Musik und Weißwürste:Voller Energie und Spiellaune

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Bigband Dachau beim Frühschoppen

Von Gregor Schiegl, Dachau

Das Hotel Burgmeier ist eine Institution in Dachau, seine Weißwürste sind legendär und heiß begehrt. Aber das waren sie schon immer, und so muss es wohl am gewachsenen Renommee liegen, dass der Jazzfrühschoppen mit der Bigband Dachau trotz kalten Nieselregens mehr als 300 Besucher anlockt. Es ist das erst Mal, dass das glitzernde Massiv-Jazz-Techno-Ensemble wieder in seiner Heimatstadt auftritt. Die letzte Zeit waren sie viel unterwegs, im Juli traten sie auf dem weltberühmten Montreux Jazz Festival auf, wo sie das internationale Publikum mit ihrem unkonventionellen Sound und ihrer Spielfreude begeisterten. Jetzt sind die Helden des Jazz heimgekehrt.

Manche Bands trudeln nach ihrem großen Moment ab ins Mittelmaß, die Kraft ist aufgebraucht, Spannung und Luft sind raus, man poliert nur noch die alten Pokale. Aber für die Bigband gilt das ganz und gar nicht. Ihr Tatendrang, ihre Energie und Experimentierlust scheinen dadurch nur noch mehr Nahrung erhalten zu haben. Vor heimischem Publikum lässt Bandleader Tom Jan seinen Musikern mehr Raum für musikalische Exkurse und Soli als in Montreux. "Wir sind ja unter uns." Das gibt dem Auftritt noch mehr heitere Leichtigkeit. Und es lässt erkennen, was für Talente diese bunte Truppe in ihren Reihen hat. Michael Salvermoser brilliert als Edelgebläse an der Trompete, und er ist keineswegs der einzige, der einem den Mund offen stehen lässt. Franziska Wirthmüller, die in Montreux noch hinter den Frontmänner Tom Jan und JJ Jones zurückstehen musste, beweist als Sängerin vor Dachauer Publikum ihre große Klasse, mal mit zart dahinschmelzendender Stimme: "Where ist the Love?" Und dann als taffe Rapperin in der jazzig aufgetunten und unheimlich spaßigen Version von Cypress Hills "Insane in the Brain". Das Publikum jubelt und klatscht, in einigen Gesichtern ist Verblüffung zu erkennen. Offenbar gibt es auch Gäste, die diese durchgeknallte Band zum ersten Mal live erleben. Aber so ist das oft: Erst wer in der Fremde reüssiert hat, wird zuhause richtig ernst genommen.

Bandleader Tom Jahn bedankt sich bei "all denen, die immer an die Bigband Dachau geglaubt haben". Und an die Adresse der vielen, vielen Dachauer: "Das ist eure Band. Ihr könnt stolz darauf sein!" Das Schöne an der Bigband ist, dass sie gerade wächst wie ein Baum: Die Wurzeln greifen nun tiefer in den Heimatboden, während auch die Äste immer weiter ausgreifen in die Welt und Einflüsse aus anderen Ländern und Kulturen aufnehmen. "Saluto a Cave", das von einem Gelage in Italien inspiriert wurde, säuselt erst als behäbiger Wiener Walzer durch den Stadl. Dann dreht die Band Windstärke und Tempo auf volle Kraft, und zeigt was für ein Knowhow einige ihrer Musiker dieses Jahr bei ihrem Besuch des in Bläserkreisen berühmten Trompetenfestivals im serbischen Guča mitgebracht haben: Turbo-Balkan-Trompetentechno. Auch der lässt sich prima in die eigene Jazz-DNA implantieren.

Die junge Band der Knabenkapelle Dachau hat noch sehr viel vor. Zum Beispiel eine Tournee mit der australischen Mädchen-Jazzband Sweethearts, die sie in Montreux als musikalische Seelenverwandte kennengelernt haben; die Chicks von Down Under sind fast genauso verrückt wie die Bigband, auch sie haben jede Menge Power. Vielleicht klappt das ja in ein paar Jahren- Nur eine Sache gilt es für die große Tournee noch zu klären: wie man genügend Weißwürste vom Burgmeier in den Flieger bekommt.

Die nächsten Konzerte mit der Bigband Dachau: Hofbräuhaus Festival, München, 27. Oktober; Schloss Blumenthal, Aichach, 28. Oktober; Jazz hoch 3 im Musikheim der Knabenkapelle Dachau, 10. November; Milla Club, München, 28. Dezember.

© SZ vom 15.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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