Mitten in Karlsfeld:Absage ans Sarghotel

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Menschen im Fernen Osten pflegen ab und an in winzigen Kapselhotels zu nächtigen. Ein Konzept, das dem Karlsfelder Gemeinderat allzu fremd erscheint.

Von Gregor Schiegl

Wer spätabends am Münchner Flughafen strandet, muss sich bis zum Weiterflug nicht unbedingt in ein Hotel begeben. Am Terminal zwei stehen - bislang in Deutschland angeblich noch einmalig - schalldichte Schlummerkabinen, in die man sich zusammenfalten kann. Erfunden haben diese Kapselhotels die Japaner, nur dass sie nicht "Kapselhotel" sagen, sondern "kapuseru hoteru". Für uns Langnasen ist das Konzept ungewohnt, wenn nicht gar beängstigend. "Wabenhotel" oder "Schließfachhotel" sind gebräuchliche Synonyme hierzulande oder auch "Sarghotel", was zeigt, dass diese extrem platzsparende Unterbringungsform an Urängsten des Menschen rührt.

Der Bauausschuss des Gemeinderats Karlsfeld hätte am Mittwoch Geschichte schreiben können, denn für ein Grundstück an der Dr.-Johann-Heitzer Straße, unweit des S-Bahnhofs, gab es einen Antrag auf Vorbescheid zum Neubau so eines Kapselhotels. 196 Schlafkabinen hatte der Antragsteller im Sinn, wobei jedes Stockwerk zwei Schlafetagen haben sollte, unten im Erdgeschoss wären Räume zur gemeinsamen Nutzung vorgesehen gewesen, Dusche und Bad, was man als zivilisierter Mensch eben so braucht.

Ob auch an einen Frische-Unterwäsche- und Sockenautomaten gedacht war, wie das im Land der aufgehenden Sonne üblich ist, wurde im Antrag nicht mitgeteilt. Allerdings spielten solche Details keine Rolle für die Entscheidung. Statt Begeisterung für das Neue, Revolutionäre, nie Dagewesene, brandete der Idee Ablehnung entgegen, die in ihren Ausmaßen der "Großen Welle vor Kanagawa" des großen Hokusai alle Konkurrenz gemacht hätte. "Das tut Karlsfeld nicht gut", schäumte Karlsfelds Bürgermeister Stefan Kolbe. "Wir diskutieren über potenzielle Gewerbeflächen und dann klatschen wir so ein Teil rein." Für das kühne Projekt wollte sich auch in den Fraktionen kein Fürsprecher finden. In Karlsfeld habe so ein Modell keine Chancen, lautete die einhellige Meinung.

Wenig euphorischer Erfahrungsbericht

Gestützt wird sie vom Erfahrungsbericht eines deutschen Reporters aus einem Tokioter "kapuseru hoteru". Er klagte nicht nur über stickige Luft und beengte Verhältnisse, sondern auch über Lärm. "Ständig rummst, furzt, pocht, schnarcht, rülpst oder klopft es in einer der Nachbarzellen. Für nächtlichen Diskussionsstoff sorgen zudem im Halbstundentakt betrunkene Höhlenmenschen, deren Orientierungssinn offenbar so stark behindert ist, dass sie sich beim Betreten des Zimmers gleich in die nächstbeste Kapsel legen."

Nun bleibt das Grundstück unbebaut. Einen Camping-Platz kann man daraus immer noch machen.

© SZ vom 23.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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