Mitten in Dachau:Streicheleinheiten statt Tarifvertrag

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Arbeiten mit Blick aufs Schloss: Die Schafe aus Gröbenzell sind Angestellte der Stadt Dachau. (Foto: Niels P. Joergensen)

In den USA gehen die Gewerkschaften gegen tierische Gärtner auf die Barrikaden. In Dachau seien durch die Ziegen am Rathausberg keine Arbeitsplätze gefährdet, heißt es aus dem Bauamt. Doch die Arbeitsbelastung der Tiere scheint gestiegen zu sein

Von Viktoria Großmann

Arbeitstiere haben keine Lobby. Arbeitsmenschen schon. Im Mutterland des Kapitalismus wird diese Tatsache schamlos ausgenutzt, indem in den USA immer häufiger statt Menschen Tiere zur Garten- und Rasenpflege eingesetzt werden. Die meckern zwar auch manchmal, lassen sich aber durch Streicheln leicht beruhigen. Nicht beruhigen lassen will sich derzeit die Gewerkschaft AFSCME, die in den Vereinigten Staaten städtische, kommunale und bundesstaatliche Angestellte vertritt und sich beschwert, weil die Western Michigan University in Kalamazoo eine Herde Ziegen eingestellt hat. Dies gehe auf Kosten der Arbeitsplätze gut ausgebildeter Gärtner, erklärt die Gewerkschaft und führt den Tarifvertrag ins Feld. Die Universität, die sogar Kinderziegen beschäftigt, ließ sich bisher nicht beeindrucken und wies wissenschaftlich nach, dass die Ziegen gewisse biologische Vorteile gegenüber dem Menschen haben.

Nicht nur ein dickes Fell nämlich, sondern auch die natürliche Gabe, Unkraut von Gras zu unterscheiden. Mal abgesehen davon, dass die Tiere das Feld auch düngen. Was man Menschen so nicht zumuten möchte. Die haben laut Arbeitsstättenverordnung Anspruch auf Sichtschutz und Kacheln. Tierisches Talent nutzt bereits seit 2015 auch die sehr fortschrittliche Stadt Dachau. Damals ließ sie das erste Mal eine Herde Ziegen am Rathausberg weiden. Die sportlichen Tiere sind erheblich weniger sturzgefährdet als Menschen und arbeiten ohne Sonderzulage auch nachts. Weil es mit den Ziegen so gut klappt, mähen zudem entfernte Verwandte von ihnen derzeit den Rodelhügel an der Schinderkreppe ab. Begonnen haben die Schafe Mitte Juni am Landschaftsberg, mit dem sie recht schnell fertig wurden. Wenn der Rodelhügel kahl ist, kehren sie zum Landschaftsberg zurück.

Kostet das nicht Arbeitsplätze? Aus dem Stadtbauamt kommt ein entschiedenes Nein. Die Tiere entlasten die Abteilung Stadtgrün bei der ständig wachsenden Aufgabenfülle. Dennoch gibt es Hinweise, dass auch die Arbeitsbelastung für die Ziegen am Rathausberg im Vergleich zu den Vorjahren erheblich gestiegen ist. Bereits seit 30. Juni sind sie im Einsatz und kein einziges Mal fanden sie nach Feierabend oder in der Mittagspause Zeit für einen Facebookpost, wie früher üblich. Die Schafe am Rodelberg scheinen sogar ein Twitterverbot zu haben. Vorsorglich weist das Stadtbauamt allerdings auf den Urlaubsanspruch der Ziegen hin: Während des zehntägigen Volksfestes werden sie freigestellt.

© SZ vom 17.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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