Mit Auto oder Bahn:Ein Landkreis in Bewegung

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In Dachau arbeiten immer weniger Menschen an ihrem Wohnort. Und sehr viel mehr Bürger pendeln hinaus, als Auswärtige einpendeln. Nur in Bergkirchen ist es andersherum

Von Viktoria Großmann, Dachau

München ist die Pendlerhauptstadt Deutschlands. Das stellte kürzlich das Bundesinstitut für Raumforschung fest. 355 000 Menschen - eine kleinere Großstadt - fährt jeden Tag in die Landeshauptstadt, um dort zu arbeiten. Davon kommen 26 615 aus dem Landkreis Dachau. Das sind allerdings nur die Angestellten. Hinzu kommen Beamte, Freiberufler, 450-Euro-Jobber, Studenten und Schüler. Das wären noch mal etwa 30 Prozent mehr Pendler. Von dieser Größenordnung geht der Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München aus, der die Daten verarbeitet. Insgesamt verlassen täglich rund 53 000 Angestellte den Landkreis auf dem Weg zur Arbeit. Innerhalb des Landkreises pendeln etwa 12 000 Angestellte, von außerhalb kommen mehr als 28 500 Menschen.

Das Bild ist klar: Deutlich mehr Menschen arbeiten außerhalb des Landkreises als umgekehrt. Statistiker sprechen von der Arbeitsplatzdichte und die ist im Landkreis mit 258 Stellen auf 1000 Einwohner nicht einmal halb so hoch wie in der Landeshauptstadt. Wohnen und Arbeiten sind damit getrennt. Das ist nur in Bergkirchen anders. Vor zwölf Jahren hatte die heute 7700 Einwohner zählende Gemeinde noch doppelt so viele Auspendler wie Einpendler. Bis zum Jahr 2015 wuchs die Zahl der Einpendler von 1111 auf 3640 an. Die Zahl der Auspendler hingegen stieg um nur etwa 500 auf 2774. Bergkirchen mit seinem Gewerbegebiet Gada hat heute mehr Arbeitsplätze als Angestellte. Eine Seltenheit im Großraum.

Tatsächlich ist es nicht nur das rasante Bevölkerungswachstum allein, dass die Pendlerzahlen in den vergangenen Jahren nach oben schnellen ließ. Anteilig wuchs übrigens die Zahl der Pendler aus dem Landkreis stärker als die Zahl der Einwohner. Ein wichtiger Grund ist die immer besser werdende Beschäftigungslage. Gerechnet auf die Region München lag die Arbeitslosenquote vor zehn Jahren noch bei 6,8 Prozent, Ende 2015 bei 3,8 Prozent. Im Landkreis Dachau herrscht mit derzeit 2,4 Prozent Arbeitslosigkeit praktisch Vollbeschäftigung.

Rund 26000 Menschen pendeln aus dem Landkreis Dachau in die Landeshauptstadt München, auch mit der S-Bahn. (Foto: Niels P. Joergensen)

Doch wie pendeln all diese Menschen? Fahren sie mit dem Auto, mit dem Bus, der Bahn, dem Fahrrad oder nutzen sie mehrere Verkehrsmittel? Daten dazu liefert weder der Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum noch das Bundesinstitut für Raumforschung. Diese beziehen sich lediglich auf Angaben des Bundesagentur für Arbeit. Die S-Bahn wiederum erhebt nur die Zahlen der Fahrgäste, die an einem Bahnhof ein- und aussteigen. Wie viele davon Arbeitspendler sind, kann man nur vermuten. An den übervollen Park-und-Ride-Plätzen in Petershausen, Dachau und Karlsfeld lässt sich erkennen, dass es für viele Menschen ohne Auto nicht geht. Altomünster will die Zahl der Stellplätze am S-Bahnhof bis 2019 auf rund 360 versechsfachen. In Petershausen können schon 1000 Autos parken, nun sollen noch 300 Plätze dazu kommen. Schon jetzt kommen an diese beiden Bahnhöfe Pendler vor allem auch aus den angrenzenden Landkreisen. Vieles deutet daraufhin, dass das Auto noch immer das am häufigsten benutzte Verkehrsmittel ist.

Etwa die Studie "Mobilität in Deutschland". Auf deren Daten beruft sich das Landratsamt bei der Ausarbeitung eines Gesamtverkehrskonzeptes für den Landkreis. Die Daten sind von 2008, liefern aber immerhin Anhaltspunkte. Demnach nutzen, Fahrer und Beifahrer zusammengerechnet, tatsächlich 50 Prozent der Leute hauptsächlich das Auto, 17 Prozent das Fahrrad. Nur 14 Prozent steigen vorwiegend in Bus und Bahn. Ernüchternde Zahlen. Für Bahn-Pendler, die volle Züge gewohnt sind, kaum zu glauben. Und trotzdem wurde im Vergleich mit dem gesamten Großraum im Landkreis das Auto weniger und der Nahverkehr mehr genutzt als im Umland.

Diese neun Jahre alten Daten werden von aktuelleren aus Karlsfeld gestützt. Die Gemeinde hatte vom Verkehrsplanungsbüro Gevas eine Verkehrsanalyse erstellen lassen. Sie wurde vor einem Jahr im Gemeinderat präsentiert: 49 Prozent der Karlsfelder verlassen sich nur auf das eigene Auto, zählt man die Beifahrer und Kraftradfahrer dazu, sind sogar 59 Prozent hauptsächlich mit dem eigenen Fahrzeug unterwegs. 17 Prozent fahren mit dem Rad und gerade mal 13 Prozent mit Bahn- und Bus. Wege innerhalb der eigenen Gemeinde legen immerhin 31 Prozent der Karlsfelder hauptsächlich mit dem Fahrrad zurück. Trotzdem ist auch hier die Gruppe der Motorisierten mit insgesamt 46 Prozent mehr als doppelt so groß wie die Gruppe der Fußgänger (22 Prozent).

Grafik Pendler auf Weiß SZ Grafik (Foto: SZ Grafik)

Die Gemeinden, aber auch das Landratsamt möchten Anreize schaffen, den Autoverkehr zu verringern. Straßenbau erscheint nur noch wenigen als Lösung: etwa der CSU-Fraktion im Dachauer Stadtrat, die hartnäckig an der Idee einer Nordostumgehung festhält, obwohl längst nicht nur der Naturschutz ein Argument dagegen ist. Studien haben gezeigt, dass die Entlastung im einstelligen Bereich liegen würde. Auch die CSU in Dachau stimmte allerdings für den Bau eines Fahrradparkhauses am Bahnhof. Indem Anreize für Radfahrer geschaffen werden, soll zumindest innerorts der Autoverkehr verringert werden. Große Hoffnung setzt man nicht nur in Dachau in Busse und Ruftaxis.

Josef Mittl, Pendler aus Petershausen und engagiert im Fahrgastverband Pro Bahn sieht im nördlichen Landkreis noch "unheimliches Potenzial". Mittl selbst setzt auf Bus und Bahn, doch schon oft genug, musste er sich von seiner Frau im Auto zum Bahnhof bringen oder abholen lassen, weil der Zug abends zu spät in Petershausen einfuhr, oder morgens einer ausfiel. Der letzte Bus Richtung Kollbach fährt bereits um 18 Uhr. Zu früh, findet Mittl. Ruftaxis findet er nicht alltagstauglich genug, man muss sie mindestens eine halbe Stunde vorher bestellen.

Aus Sicht der Pfaffenhofener, Egenburger, Odelzhausener sind Rufbusse Luxus. Denn eine Bahn gibt es im westlichen Landkreis gar nicht. "Uns hat man Ende der Sechzigerjahre beim S-Bahn-Bau vergessen", sagt der Pfaffenhofener Gemeinderat Klaus Reindl. "Man dachte, die Anbindung an die Autobahn A8 reicht aus." Reindl ist Jahrzehnte lang über die Autobahn nach München gependelt und hat bemerkt, wie diese immer voller wurde und er morgens eher aus dem Haus musste, um dann länger im Stau zu stehen. Reindls Arbeitgeber war der Automobilclub ADAC, eine gewisse Liebe zum Auto darf man ihm also unterstellen. Doch auch er sieht, dass es ohne den öffentlichen Nahverkehr nicht geht. Er lobt die nächtliche Ruftaxi-Verbindung vom S-Bahnhof in Maisach und den Bus nach Pasing. Ausreichend sei das Angebot noch nicht: "Eigentlich sollte man alle 30 Minuten nach Pasing oder Maisach kommen können."

© SZ vom 22.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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