Mietwahnsinn:Plötzlich obdachlos

Lesezeit: 3 min

Die steigende Zahl von Menschen ohne Wohnung stellt die Dorfgemeinden vor Herausforderungen. Da bezahlbarer Wohnraum fehlt, müssen die Kommunen Notunterkünfte kaufen. Eine dauerhafte Lösung fehlt

Von Petra Schafflik, Dachau

Explodierende Kaufpreise und rasant steigende Mieten machen Wohnen im Landkreis zunehmend zum Luxusgut. Eine gravierende Folge dieser Entwicklung ist, dass die Zahl der Bürger ohne Obdach nach oben geht. Das sind oft Menschen, die ihren Arbeitsplatz verloren oder sich von ihrem Ehepartner geschieden haben und sich plötzlich ihre Miete nicht mehr leisten können. Bezahlbare Wohnungen fehlen überall im Münchner Speckgürtel. Eine Situation, die Bürger in Dachau und im städtisch geprägten Karlsfeld betrifft, aber zunehmend auch die ländlichen Gemeinden vor Herausforderungen stellt.

Einige Kommunen haben reagiert und eigene Kapazitäten für die Unterbringung obdachloser Gemeindebewohner geschaffen, ausgebaut oder zumindest geplant. Eine Lücke klafft aber noch in der sozialen Betreuung ländlicher Gemeinden. Eine eigene Fachstelle, die Bürger in den Notunterkünften betreut und sich auch um die Vermeidung von Obdachlosigkeit bemüht, leistet sich im Landkreis bisher nur die Stadt Dachau.

Auch auf dem Land kommt es immer wieder vor, dass Menschen plötzlich auf der Straße stehen. Für solche Notfälle verfügen einige Kommunen über eigene Wohnungen. Anderswo fehlt diese Möglichkeit. Menschen ohne Obdach werden kurzfristig in Pensionen einquartiert. Auch in Haimhausen sei man das Thema Obdachlosigkeit lange Zeit so angegangen, sagt Bürgermeister Peter Felbermeier (CSU). Doch freie Kapazitäten in Pensionen gebe es immer weniger, weil Monteure und Handwerker von auswärts die Zimmer belegen. Gleichzeitig sehen sich die Gemeinden damit konfrontiert, dass häufiger und mehr Bürger von Obdachlosigkeit betroffen sind als noch vor einigen Jahren. "Früher vielleicht fünf im Jahr, jetzt eher zehn", sagt Ariane Wunderlich, die sich als Leiterin der Hauptverwaltung in Schwabhausen um das Thema kümmert.

Haimhausen hat nun gehandelt und eine Containerunterkunft mit vier Schlafplätzen errichtet. "Damit behalten wir das Heft des Handelns in der Hand", sagt Rathauschef Felbermeier. Auch Schwabhausen wurde aktiv. Einen von drei Wohncontainern, die für die Unterbringung von Asylbewerbern im Ort stehen, hat die Gemeinde als Notunterkunft erworben. Und damit die Kapazität für Menschen ohne Obdach auf 26 Betten erhöht. Auch die Gemeinde Pfaffenhofen hat vorgesorgt. Man habe ein Haus eigens für diesen Zweck gekauft, berichtet Bürgermeister Helmut Zech (CSU). In Petershausen, wo Ende vorigen Jahres die Zahl der Obdachlosenfälle von zuvor durchschnittlich zwei im Jahr plötzlich auf 16 angewachsen war, wurde auch aufgestockt. Jetzt gebe es zwei Häuser plus zwei Wohncontainer für den Notfall, so Bürgermeister Marcel Fath (FW). Doch solche Notunterkünfte, wie sie noch weitere Gemeinden planen, sind keine Dauerlösung. Deshalb beschäftigt man sich in verschiedenen Rathäusern mit Konzepten für Wohnbauprojekte mit bezahlbaren Mieten.

Gerade jemand, der obdachlos geworden ist, tut sich schwer, wieder eine eigene Bleibe zu finden. "Die Betroffenen bemühen sich, sind engagiert", berichtet Bürgermeister Felbermeier. Doch das Engagement stoße an Grenzen, sagt Hauptamtsleiterin Wunderlich. "Die Rückkehr in den regulären Wohnungsmarkt ist schwierig". Mehr Unterstützung könnten die Betroffenen gut gebrauchen. Doch eine koordinierte aufsuchende Arbeit von pädagogisch geschulten Mitarbeitern, wie die Stadt Dachau sie seit vielen Jahren leistet, gibt es in den Landgemeinden nicht. Die Ansprechpartner in den Rathäusern sind oft die Bürgermeister und mit dieser Aufgabe betraute Verwaltungsmitarbeiter. Sie verweisen auf Beratungsstellen oder kümmern sich in Eigenregie um individuelle Hilfe. In Petershausen hat man ein Betreuungskonzept erarbeitet. Aber die Unterstützung könnte intensiver, vor allem persönlicher sein, findet Franz Obesser (CSU), Bürgermeister von Markt Indersdorf. Ehrenamtliche könnten die Betroffenen unterstützen, "bei der Hand nehmen, mit ihnen den Alltag strukturieren". Ein System wie das der Helferkreise, die sich um Asylbewerber kümmern, fände der Bürgermeister sinnvoll. "Keinesfalls eine Behörde."

In eine ähnliche Richtung gehen die Überlegungen von Heidi Schaitl, Kreisgeschäftsführerin der Caritas. Vor allem eine präventive Arbeit mit einem Konzept für den Landkreis könnte sie sich vorstellen. Im Landkreis Fürstenfeldbruck hat sie als Gemeinschaftsprojekt von Caritas und Arbeiterwohlfahrt eine Fachstelle Wohnen aufgebaut, die ein Netzwerk der Hilfe knüpft. Vor allem aber würden Mitarbeiter so einer Fachstelle "präventive Arbeit und aufsuchende Beratung in den Unterkünften leisten, was es bisher so nicht gibt", sagt sie. Andere Regionen seien da weiter. "Der Landkreis Dachau ist bisher noch ein weißer Fleck in der Wohnungslosenhilfe."

© SZ vom 19.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: