Markt Indersdorf:Zuneigung wärmt

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Die Ausstellung "Zurück ins Leben" in Markt Indersdorf wird am Dienstag, 28. April, eröffnet

Von Daniela Gorgs, Markt Indersdorf

Halina war 15 Jahre alt, als sie sich im Indersdorfer Nachkriegs-Kinderzentrum um ihren kleinen Bruder Abram kümmerte und versuchte, etwas von der versäumten Schulbildung nachzuholen. "Das Kloster war sehr groß mit einem zentralen Hof. Wir hatten eine gute Zeit. Und ich war glücklich, mit jüdischen Menschen zusammen sein zu dürfen. Ich hatte das Gefühl, wieder zu meinem Volk zurückgekehrt zu sein. Obwohl niemand eine Familie hatte und wir alle gelitten hatten, sorgten wir dafür, dass wir uns mit unserer Zuneigung gegenseitig wärmten", berichtete Ora Rotem der israelischen Tageszeitung Yedioth Aronot über ihre Zuflucht im Kloster Indersdorf im Jahr 1946.

Ora Rotem wurde als Halina Wengrowska 1931 in Warschau geboren, ihr kleiner Bruder acht Jahre später. Die jüdische Familie wurde 1940 ins Warschauer Ghetto gepfercht, überlebte drei Jahre lang unvorstellbare Gräuel. Den Eltern gelang es, ihre Kinder bei zwei nichtjüdischen Familien außerhalb Warschaus unterzubringen. Sie selbst wurden von Deutschen entdeckt und ermordet. Halina und ihr Bruder fanden nach Kriegsende im Kloster Indersdorf zu neuer Kraft.

Die Geschichte von Ora Rotem ähnelt dem Lebenslauf der anderen Holocaust-Überlebenden, die seit 2008 jährlich auf Einladung der Weichser Zeitgeschichtsforscherin Anna Andlauer an ihren ehemaligen Zufluchtsort zurückkehren und in diesem Jahr der Eröffnung der internationalen Wanderausstellung "Zurück ins Leben" am Dienstag, 28. April, von 18 Uhr an im Barocksaal des ehemaligen Klosters Indersdorf beiwohnen.

"Zurück ins Leben" will die Erinnerung an Kinder und Jugendliche wachhalten, die von den Nationalsozialisten verfolgt wurden und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in dem Kloster eine Heimat fanden. Zur Eröffnung wird Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) erwartet. Konzipiert wurde die Ausstellung von Anna Andlauer. Schüler einer neunten Klasse an der Erzbischöflichen Realschule Vinzenz von Paul, die ihren Sitz im ehemaligen Kloster Indersdorf hat, setzten sich, unterstützt von der Kuratorin, mit den historischen Ereignissen auseinander und berichten darüber bei der Ausstellungseröffnung.

Die Schau zeichnet anhand von Bildern und Texten nach, wie die Betreuer der Kinder, allen voran die selbst von den Nazis verfolgte Sozialarbeiterin und Pädagogin Greta Fischer, den traumatisierten jungen Menschen zurück ins Leben halfen. Die Betreuer unterstützten sie, ihre verstörenden Erfahrungen zu verarbeiten, die versäumte Schulbildung nachzuholen und nach Familienangehörigen zu suchen. Zudem sorgten sie dafür, dass die Kinder und Jugendlichen ausreichend Nahrung, passende Kleidung, medizinische Versorgung und ein eigenes Bett bekamen. Auch ein Kurzfilm mit Bildern der Überlebenden von damals und heute wird gezeigt. Anna Andlauer erwartet bereits am kommenden Sonntag, 26. April, 17 Zeitzeugen und ihre Angehörigen. Acht von ihnen gründeten damals im Kloster Indersdorf die Kibbuzgruppe "Eitan" (Hebräisch: stark).

Mit einem eigenen Eitan-Lied, einer Flagge und einem Emblem schworen sie sich im Jahr 1946 darauf ein, stets stark zu sein, sich nicht zu fürchten und für ihre zionistischen Ideale zu kämpfen. Noch heute leben viele von ihnen zusammen in einem Kibbuz bei Jerusalem. Mit dem Kloster Indersdorf verbinden sie lebhafte Jugenderinnerungen. Und davon wollen sie bei ihrem Treffen den Schülern der örtlichen Schulen erzählen.

Anna Andlauer zufolge waren in dem damaligen Kloster in den Nachkriegsjahren mehr als 1000 Kinder und Jugendliche untergebracht. Von Juli 1945 bis Juli 1946 lebten dort mehr als 600 jüdische und nicht-jüdische Kinder verschiedener Nationalitäten. Es handelte sich um das erste internationale Kinderzentrum, das in der damaligen US-Besatzungszone in Deutschland eröffnet wurde. Im Sommer 1946 zog die Einrichtung nach Prien am Chiemsee um. Von August 1946 bis September 1948 fanden in Indersdorf jüdische Flüchtlingskinder aus Zentral- und Osteuropa eine vorübergehende Heimat.

Die Ausstellung "Zurück ins Leben" ist bis Sonntag, 10. Mai, in Markt Indersdorf zu sehen. Geöffnet ist sie während der Schulzeiten der Realschule Vinzenz von Paul, montags bis donnerstags von 8 bis 17 Uhr, freitags von 8 bis 15 Uhr. Zur Eröffnung am Dienstag, 28. April, gibt es Brote aus der Klosterbäckerei und Indersdorfer Bier.

© SZ vom 24.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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